■ Querspalte
: Gelber Sack und Genscher

Am Valentinstag suchte die Schneider- Innung nach dem bestangezogenen Politiker. Die Organisation entschied sich schließlich für Rita Süssmuth und traf kurioserweise die gleiche Wahl wie einige Monate vorher die Innung der Friseure. Aber das ist doch keine Politikerin? Womit wir bei Hillu wären. Sie ist ja sooo tapfer. Hillu hat früher immer dem Schröder seine Krawatten ausgesucht, und wenn er am Frühstückstisch mit einem Binder auftauchte, der nicht zum Anzug paßte, mußte er stracks noch mal nach oben: Umziehen! Ja, ja, solch launige Geschichten erzählte weiland der rüstige Fünfziger.

Spätestens seitdem Maos Erben den gleichnamigen Anzug abgelegt haben, ist das Thema Politiker und Mode ein immer wieder brennendes, vielleicht nur glimmendes, ein Thema jedenfalls, das einem so ziemlich am Arsch vorbeigeht. Was aber waren das für Zeiten, als der Stresemann nicht nur als Nonplusultra der Berufsbekleidung für Politiker galt, sondern 1926 sogar den Friedensnobelpreis kriegte. Der blieb Genscher, trotz kanariengelbem Kaschmirpullunder, versagt.

Die alerten Herren an den Schaltzentralen der „Macht“ stülpen sich heutzutage, ökologisch korrekt, einen gelben Sack über, virtuell jedenfalls, und streuen sich – ganz bescheiden – Asche aufs unbedeckte Haupt oder bevorzugen als Zeichen überraschender Selbsterkenntnis den praktischen Strampelanzug, tragen dazu aber modebewußt die schreiend bunte, den Schritt bedeckende Krawatte.

Woher wir das alles wissen? Wissen wir nicht. Die FAZ hat gerade eben Anworten von Politikern auf Fragen aus dem Bereich der Textilien veröffentlicht. Substantiell Neues fand sich im „eher konservativen“ bzw. „traditionell klassisch-konservativen“ bzw. „sportlich-klassischen“ Überfluß nur zweierlei. Erstens, daß Herr Kinkel farbenblind ist, und zweitens, daß Herr Blüm „einige Wohlfühl-Lieblingsstücke“ besitzt. Sie kennen das ja: Nach einem anstrengenden Tag möchte jeder in seinen Kuschelpullover schlüpfen. Aber porentief rein muß er sein. Dietrich zur Nedden