Bundeswehr rüstet mit Todesminen auf

■ Bonner Hardthöhe läßt neue Minen konstruieren und will geplantes Verbot auf Genfer Minenkonferenz umgehen

Genf (taz) – Der letzte Woche von Verteidigungsminister Volker Rühe verkündete Verzicht auf Antipersonenminen ist eine grobe Irreführung der Öffentlichkeit. Die Hardthöhe betreibt bereits die Entwicklung sogenannter „Flächenverteidigungsminen“, die die bislang übliche Unterscheidung zwischen Antipersonen- und Antipanzerminen hinfällig machen.

Die Herstellung dieser Minen wird offiziell zwar ausschließlich mit der Notwendigkeit zur Bekämpfung gegnerischer Panzer begründet. Sie sind wegen ihrer technischen Besonderheiten aber ebenso gefährlich für Soldaten oder Zivilisten wie herkömmliche Antipersonenminen. Das geht aus dem Vertrag der Hardthöhe mit der Düsseldorfer Waffenschmiede „Rheinmetall“ über die Entwicklung der neuen Mine und aus anderen „Verschluß“-Unterlagen des Verteidungs- und Finanzministeriums hervor, die der taz vorliegen.

Laut Vorlage der Hardthöhe vom 25. Oktober 1995 für das Finanzministerium soll die Entwicklung der neuen Flächenverteidigungsmine im laufenden Haushaltsjahr 26 Millionen und bis zum Jahr 2000 insgesamt 302 Millionen Mark kosten. Die neuen Minen sollen als „Sperrmittel der Raketenartillerie und der Pioniertruppe“ von Minenwerfern verschossen und flächendeckend auf der Erde verstreut werden. Registrieren deren Sensoren verdächtige Bewegungen, sollen die Minen panzerbrechende Geschosse auf Ziele im Umkreis von bis zu mehreren hundert Metern abfeuern.

Flächenverteidigungsminen und andere auch für Personen gefährliche Waffentypen werden nach Informationen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) in Genf auch in anderen Nato-Staaten entwickelt oder befinden sich bereits in den Arsenalen der Armeen. Die Minenexperten des Roten Kreuzes verweisen auf die Gefahr, daß die Sensoren solcher Minen nicht nur auf Panzer oder andere Fahrzeuge, sondern auch auf Personen reagieren können. Für Zivilisten – weltweit die Hauptopfer von Minen – ist dies besonders gefährlich, weil die Minen meist mit einem Mechanismus zum Schutz vor Räumung ausgestattet sind, der bei Berührung explodiert.

Gemeinsam mit ihren Nato-Verbündeten sorgte die Bundesregierung inzwischen auch dafür, daß die künftige Flächenverteidigungsmine der Bundeswehr und ähnliche neue Minen von einem Verbot für herkömmliche Antipersonenminen ausgenommen werden. Bei den heute beginnenden Genfer Verhandlungen über eine Verschärfung des Minenprotokolls der UNO-Konvention hat die westliche Staatengruppe den bislang eindeutigen Vertragstext zur Definition von Antipersonenminen erheblich verwässert. „Eine Antipersonenmine ist eine Mine, die hauptsächlich dazu entwickelt wurde, durch die Anwesenheit oder Nähe einer Person oder durch Berührung zu explodieren“, heißt es neuerdings im Vertragsentwurf über ein Verbot bzw. über Einsatzrestriktionen für herkömmliche Antipersonenminen. Das Wort „hauptsächlich“ wurde von Deutschland und den anderen westlichen Staaten eingeführt.

Das Rote Kreuz hält „dieses Schlupfloch“ für „völlig unakzeptabel“. Werde die Aufweichung der Definition von Antipersonenminen nicht wieder rückgängig gemacht, habe eine Verschärfung des Minenprotokolls „kaum praktische Bedeutung“. Andreas Zumach Seite 5