Helgoland: Mehr als Spirituosen

■ Falschparker im Viertel müssen blechen Weg vom Duty-Free Image/Insulaner für anderen Tourismus

Zwei Schafe grasen mit ihren Lämmern in der Frühlingssonne. Ein Stück weiter nisten seltene Vögel wie Lummen und Baßtölpel an roten Steilklippen – eine Naturidylle. Rund 70 Kilometer vor der Nordseeküste liegt der „rote Felsen im Meer“, Insel Helgoland. Über das beschauliche Paradies fegt neuerdings eine „frische Brise“: Engagierte Helgoländer wollen dem Tourismus der Hochseeinsel ein neues Gesicht geben.

Der drastische Rückgang der Besucherzahlen hat die Insulaner aufgeschreckt. Während zur „Boomzeit“ Mitte der 70er Jahre etwa 800. 000 Tagesgäste im Jahr nach Helgoland kamen, waren es 1995 nur noch rund 550.000, die in wenigen Stunden über die Insel spazierten und in den zahlreichen „Duty Free-Shops“ zollfreie Spirituosen, Zigaretten und Kosmetikartikel billig einkauften.

„Lange Zeit hatte man es nicht nötig, sich umzustellen, weil alles noch irgendwie lief. Man wacht immer erst in Krisenzeiten auf, das ist bedauerlich“, meint Helgolands Kurdirektor Michael Krause. „Fast der gesamte Verkauf fand draußen auf den Straßen statt, zum Teil mit marktschreierischen Methoden und aus Pappkartons“, sagt er. Dieses „abschreckende Bild“ habe viele Touristen vergrault. Krause will den Niedergang der Insel mit Bauprojekten und Imagekampagnen stoppen. Die Helgoländer haben in einem Bürgerentscheid dafür gestimmt, das Erscheinungsbild ihrer Insel zu verbessern.

Beschilderte Wanderwege mit Erklärungen zu Inselgeschichte und -kultur sowie zur Tier und Pflanzenwelt sollen den Besuchern in Zukunft zeigen, daß Helgoland mehr verdient als den Ruf des „Fusel-Felsens“. Das Nordseeheilbad Helgoland soll für Dauergäste als Kurort attraktiver werden, besonders für Allergiker. Die Gemeinde plant unter anderem den Bau eines Hallenbades mit erweitertem Kurmittelhaus.

„Jetzt fängt man langsam an, den Wandel in Beton zu sehen. Es passiert etwas“, sagt Inselhotelier Detlev Rickmers. Schwierig sei allerdings die Finanzierung großer Bauprojekte, räumt Kurdirektor Krause ein. Der Gemeinde fehlen Eigenmittel, sie ist auf die Unterstützung des Landes Schleswig-Holstein angewiesen. Auch um private Investoren zu gewinnen muß die Gemeinde mühsam kämpfen. Viele Geldgeber investieren lieber in den neuen Bundesländern.

Auch mit der Skepsis einiger Insulaner haben Krause und seine Mitstreiter zu kämpfen. Ladenbesitzer, die aufgrund des Bürgerentscheids auf öffentlichen Straßen nur noch eingeschränkt für ihre Waren werben dürfen, befürchten eine Verdrängung der Tagesauflügler und bangen um ihre Einnahmen. Ein Spirituosenhändler am Hafen findet Krauses Pläne „bescheiden“. „Es ist absurd, daß ich jetzt eine Baugenehmigung beantragen muß, wenn ich meinen Sonnenschirm vor dem Laden aufstellen will“, sagt ein Verkäufer.

Kurdirektor Krause will die Bedenken der Händler ausräumen. Helgoland brauche auch in Zukunft Tages- wie Dauergäste. Die Läden mit einem guten Warensortiment würden in Zukunft nicht weniger verkaufen. Und wenn in wenigen Jahren ein moderner schneller Katamaran mehrmals täglich zwischen der Insel und dem Festland verkehre, könne Helgoland sogar noch für Touristen aus dem Süden der Bundesrepublik ein attraktives Reiseziel werden, schwärmt der Kurdirektor.

Stephanie Steffen, dpa