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Schutz bei Geschlechtsumwandlung

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg wird Ende April mit einem Grundsatzurteil entscheiden, ob auch Transsexuelle vor Benachteiligungen im Arbeitsleben geschützt sind  ■ Aus Brüssel Christian Rath

Werden Transsexuelle wegen ihres Geschlechts diskriminiert? Die bisher herrschende Rechtslogik in Europa und den USA sagt: nein; denn männliche Transsexuelle werden genauso diskriminiert wie weibliche Transsexuelle.

Ende April wird jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein Grundsatzurteil in dieser Frage sprechen.

Er muß entscheiden, ob sich auch Transsexuelle auf eine EU- Richtlinie zur Gleichheit der Geschlechter im Arbeitsleben berufen können. Die Erwartungen an die Richter sind stark gestiegen, nachdem Generalanwalt Giuseppe Tesauro das Gericht aufgefordert hat, eine „mutige Entscheidung“ zugunsten der Transsexuellen zu treffen. Im Mittelpunkt des Rechtsstreits steht der Fall von Frau P. Sie war im April 1991 als Verwaltungsangestellte einer Berufschule der britischen Grafschaft Cornwall eingestellt worden – äußerlich noch als Mann.

Als sie ein Jahr später ankündigte, daß sie eine Geschlechtsoperation vornehmen wolle, reagierte die Schulleitung zunächst tolerant und verständnisvoll.

Auf Druck des Rats der Grafschaft wurde „Herr“ P. dann aber doch gekündigt. In den verbleibenden Arbeitswochen sollte sie nur noch einige begonnene Projekte fertigstellen – und zwar zu Hause. Auf diese Weise wollte die Schulleitung verhindern, daß Frau P. in Frauenkleidern die Schule betritt.

Für das Arbeitsgericht in der Kreisstadt Truro ein klarer Fall: Diese Kündigung war eindeutig eine Reaktion auf die geplante Geschlechtsumwandlung.

In Großbritannien wie auch in anderen Mitgliedsstaaten existiert allerdings kein Gesetz, das die Diskriminierung von Transsexuellen ausdrücklich verbietet. Das britische Arbeitsgericht legte deshalb den Fall P. beim Europäischen Gerichtshof vor. Es fragte, ob man hier nicht die EU-Richtlinie zur Gleichstellung von Mann und Frau im Arbeitsleben anwenden könne.

Rückendeckung erhielt das Arbeitsgericht in Truro von Generalanwalt Giuseppe Tesauro. In seinem Schlußantrag räumte er ein, daß der Wortlaut der Richtlinie aus dem Jahr 1976 zwar nur die Diskriminierung zwischen Männern und Frauen erfasse. „Damals aber hat man“, so Tesauro, „die besondere Situation der Transsexuellen einfach noch nicht im Blick gehabt.“ Es sei nun Aufgabe des Gerichtshofs, den wissenschaftlichen und sozialen Fortschritt nachzuvollziehen. „Alles andere würde wie eine moralische Verurteilung der Transsexuellen klingen“, appellierte Tesauro.

Der Generalanwalt am EuGH ist eine neutrale Instanz, die die Urteile des Gerichtshofs vorbereitet und der die Richter häufig folgen.

Ein für die Transsexuellen positives Urteil würde die Rechtslage in ganz Europa verändern. In Deutschland, wo allein einige tausend Transsexuelle leben, liegt bisher nur ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Jahr 1991 vor. Damals hatte ein Arzt den Vertrag mit seiner Arzthelferin wegen „arglistiger Täuschung“ angefochten. Diese hatte ihm verschwiegen, daß sie noch in einem männlichen Körper lebte. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah in dieser Täuschung jedoch keinen Grund, das Arbeitsverhältnis rückwirkend aufzulösen.

Ob dieses BAG-Urteil allerdings auch bei einem Rollenwechsel nach Beginn des Arbeitsverhältnisses helfen würde, ist unklar. „Wenn der EuGH feststellt, daß eine Geschlechtsumwandlung grundsätzlich kein Kündigungsgrund ist, dann wäre das ein echter Fortschritt“, erklärte Maria Sabine Augstein, eine Anwältin, die sich aus eigener Erfahrung auf die Rechtsprobleme von Transsexuellen spezialisierte.

Der Europäische Gerichtshof wird sein Urteil am 30. April verkünden.

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