Amt hindert Bosnier an Rückkehr

■ Berlin: Innenverwaltung betreibt absurde Politik und beweist ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat

Berlin (taz) – Die beiden bosnisch-kroatischen Familien B. und E., die im Verhandlungszimmer des Berliner Verwaltungsgerichtes sitzen, verstehen die Welt nicht mehr. Die dem Berliner Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) unterstehende Ausländerbehörde hindert sie und Hunderte anderer Familien daran, ihre Rückkehr nach Bosnien vorzubereiten. Die Behörde würde die Kriegsflüchtlinge zwar lieber heute als morgen loswerden, verweigert ihnen aber eine mindestens drei Monate geltende Aufenthaltsbefugnis. Diesen Status benötigen sie indes, das bestätigt auch das Auswärtige Amt, um durch die Transitländer Österreich, Slowenien und Kroatien durchgelassen zu werden. Also sind die BosnierInnen gezwungen, vor Gericht zu ziehen.

Verwaltungsrichter Norbert Kunath versteht die Flüchtlinge: Wenn jemand zurückkehren wolle, müsse er sich erst mal vergewissern, ob er Wohnung und Arbeit bekommen könne. Die Familien B. und E. nicken: Sie wollen gemeinsam nachschauen, ob ihre Wohnung in dem kürzlich von serbischen Brandstiftern verwüsteten Vorort Sarajevos überhaupt noch existiert. Auch die Innenministerkonferenz habe das Problem der Rückkehrwilligen erkannt, fährt der Richter fort, und im Januar die Schaffung einer „Schnupperbefugnis“ erwogen.

Daß die Berliner Ausländerbehörde die Umwandlung der bisherigen Duldungen in Befugnisse verweigere, sei in sich widersinnig und „völlig kontraproduktiv“, meint der Richter. Womöglich versteht die Innenverwaltung selbst nicht mehr, was sie da tut.

Innenbehörde ignoriert das Abkommen von Dayton

In einer bundesweit einmaliger Aktion drohte sie alleinstehenden BosnierInnen im Januar, sie würden ab Sommer zwangsabgeschoben, obwohl im Dayton-Abkommen das Prinzip der freiwilligen Rückkehr festgeschrieben ist. Billigend in Kauf genommene Folge: Die verängstigten Flüchtlinge legten massenhaft Rechtsmittel ein. Beim Verwaltungsgericht lagern jetzt schon mehr als tausend Fälle, ein Ende der Klagewelle ist für das überlastete Gericht nicht in Sicht.

Auch Verwaltungsrichter Kunath versteht die Welt nicht mehr. Als ob der Absurditäten nicht schon genug sei, weigert sich die Ausländerbehörde auch noch, die sofort vollstreckbaren Gerichtsbeschlüsse seiner 35. Kammer zu befolgen und den Betroffenen eine Aufenthaltsbefugnis auszuhändigen. Statt dessen potenziert sie die Verfahren und die Belastung des Gerichts, indem sie Beschwerde gegen das ihr angedrohte Zwangsgeld einlegt. „Das betrifft Hunderte von Fällen“, so der Richter. Ein solches Behördenverhalten habe er in seiner zwanzigjährigen Praxis noch nie erlebt. „Ich stehe fassungslos davor.“

Auch die Anwältin der BosnierInnen versteht das alles nicht mehr: „Eine rationale politische Strategie kann ich dahinter nicht erkennen.“ Daß ihre MandantInnen am Ende der Sitzung eine Aufenthaltsbefugnis zuerkannt bekommen, vermag sie nicht so recht zu erfreuen, weiß sie doch, daß auch diese Gerichtsentscheidung obstruiert werden wird. Versteht CDU-Innensenator Schönbohm eigentlich noch, was seine Behörde da treibt? Ute Scheub