Flammen aus dem Ventilator

Das Zan-Pollo-Theater inszeniert seinen Themenabend „Das Feuer“ in fortgeschrittener Klebetechnik  ■ Von Gerd Hartmann

Da liegt er auf dem Boden hingestreckt, der den Göttern das Feuer geklaut hat, und brutzelt sich ein Spiegelei: Prometheus im beigefarbenen Anzug, vor sich eine rotglühende Herdplatte nebst Pfanne. Als Göttersohn und Urvater der Menschheit macht ihn nur das Goethesche Poem erkenntlich, das er bratend zitiert. Wenn das Gedicht vorbei ist, gibt es ihn auch nicht mehr.

Eine hingewischte szenische Assoziation, ein Text rund ums Thema, ein witziges Bild, so wird es auch nach dem Prolog weitergehen, an diesem Abend im Zan Pollo, der das Feuer als titelgebenden Gegenstand zu ergründen versucht. „Das Feuer ist ein Phänomen, das alles zu erklären vermag“, heißt es später einmal, in einem anderen Textstückchen, von einem anderen Autor. Dieser Sinnspruch zeigt unfreiwillig das Dilemma, in das eine theatrale Beschäftigung mit dem Urelement schlittern kann. Denn Feuer bedeutet heimelige Wärme genauso wie todbringende Zerstörung, flammende Liebe wie verzehrende Leidenschaft, die Faszination eines Vulkans, aber auch den Ascheregen. Begriffspaare also, unter die sich so ziemlich alles subsumieren läßt, was die Welt im Innersten zusammenhält oder auseinandersprengt. Das kann schnell beliebig werden. Und so ist diese Collage auch. Das fängt mit der Textauswahl an: ein Gemischtwarenladen aus allem, was Bücher hergeben. Goethe, Ionesco, Fromm und Woody Allen, dazu die Bibel und weitere Bruchstücke von insgesamt 20 AutorInnen. Das Literaturgulasch kommt teilweise in hochkomplexen Monologen daher – mit großer Körpersprache theatralisiert –, teilweise werden pantomimische Illustrationen ironisch kommentierend unterlegt.

Manchmal funktioniert die Klebetechnik. Da berichtet eine Frau (Carin Abicht) zitternd aus der Perspektive eines Kindes, wie sie durch ihre vom Kriegsfeuer zerstörte Stadt irrt. Ein Mann (Christoph Grunert) tritt auf sie zu, sie flüchtet in seine Arme, und er beginnt zu sprechen. Mit einem Textfragment von Ernst Jünger preist er die Urgewalten des Krieges. Sie entspannt sich immer mehr an seinem Körper, doch als sie ihn küssen will, dreht er abrupt den Kopf weg. Eine deutliche Bebilderung der Gegenpole, wobei das Feuer allerdings auch hier eher den Anlaß als den Betrachtungsgegenstand gibt.

Das ist auch bei einer wunderlichen Szene so, bei der Anke Rupp (wieder mal) beweist, daß sie mit schier unerschöpflichen Zwischentönen die ungekrönte Königin in der sechsköpfigen SchauspielerInnen-Crew ist. Aberwitzige Geräusche von sich gebend, zeichnet sie mit Kreide ihre Umrisse hinter sich an die Wand. Dann schlägt sie einen Nagel in ihren gestrichelten Kopf, hängt einen Herrenanzug dran, nimmt einen Revolver und erschießt den Leinenmann. Als wolle sie sich an einem verflossenen Geliebten rächen. Das Blut rinnt am weißen Stoff herunter.

So schön die einzelnen Bilder sind, einen dramaturgischen Gesamtzusammenhang kann Regisseur und Konzeptmacher Peter Schöttle nicht herstellen. Aufgesetzte Übergänge halten das Patchwork aus überlangen Monologen und in sich geschlossenen Miniaturen nur mühsam zusammen. Alles Material, das bei Improvisationen mal als optisch interessant erachtet wurde, scheint irgendwie verwurstet worden zu sein.

Leider nicht zum ersten Mal zeigt das Zan Pollo, daß es in einer Sackgasse steckt. Recht viel mehr als ein Vorwand, Szenen nach bewährtem, absurd-skurrilem Muster auf die Bühne zu bringen, ist das Feuerthema nicht. Das Stück strotzt, wie schon die letzten Produktionen, vor Selbstzitaten. Der obligate mechanische Schlußgag – diesmal ein ventilatorenbetriebenes Flammengeloder – fehlt genausowenig wie die verlegenen Partyrunden. Über weite Strecken regiert nur der hübsche Schein. Und der ist vom Kunstgewerbe nicht weit entfernt.

Bis 26. Mai, Mi.–So., jeweils 21 Uhr, Zan Pollo Theater, Rheinstraße 45, Friedenau