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: Gruselig stimmig

„Ich war dabei“, Do., 21.00 Uhr, MDR

Der Eiserne Vorhang ist weg, es herrscht Reisefreiheit, die Puhdys sind inzwischen „unplugged“. Und Moderator Costa Cordalis singt in der postsozialistischen Sportrevue „Ich war dabei“ melancholisch: „Ich wünsch mir diese Zeit zurück.“ Gemeint ist die Zeit, als Roland Matthes für die DDR Olympiagold erkraulte und als der Vierer ohne Steuermann mit Andreas Becker, Stefan Semmler, Volker Mager und Siegfried Prietzke 1976 in Montreal gewann.

Ostdeutsche Erfolgssportler, ehemals vollgepumpt mit Anabolika, und abgehalfterte westdeutsche Schlagerstars der 70er Jahre, ehemals vollgesnieft mit Koks, geben sich bei Costa Cordalis die Klinke in die Hand. Eine wüste Mischung, die jedoch auf eine gruselige Art stimmig ist. Penny McLean („Lady Bumb“) macht jetzt „Endosophie“ und praktiziert die Weisheit, die von innen kommt. In seinen Dreisatz- Gesprächen fragt Costa nach „Visionen“. Verschwiemelte Esoterik bildet den Klebstoff zwischen Sport und Schlager: „Wenn das Herz stimmt, stimmt auch der Körper, denn der Geist bestimmt die Materie“, stegreifphilosophiert Costa mit Turnvater Jahn gegen Karl Marx.

Im Publikum sitzen junge Mädchen und klatschen dazu den Viervierteltakt. Die synthetische Nostalgie von „Ich war dabei“ ist das kulturtechnische Ergebnis von Willy Brandts Vision, nach der zusammenwachsen soll, was zusammengehört. Früher haben wir den Müll in die DDR exportiert, heute werden auf dem Gelände Schlagerzombies endgelagert. Das Fieseste an dieser populistischen Selbstbesinnung ist, daß hier eine Art Wohlbehagen vermittelt wird. „Wie geht es euch, gut?“ fragt Costa. „Gut“, antworten die Sportler unisono. Es geht ihnen gut. Manfred Riepe