Wenn der Castor kommt

■ „Der Transporter“ – eine ungewöhnliche Dokumentation der Wendländischen Filmkooperative (Mi., 21.30 Uhr, West 3)

Unter schicker blauer Plane nähert sich die Monstranz im Schritttempo: Castor. So heißt der teuerste Mülleimer der Republik. 55 Millionen Mark hat sein Transport gekostet, 15.000 Polizisten haben ihn vor 4.000 Demonstranten geschützt. In seinem Innern steckt Atommüll, der bis zur nächsten Eiszeit und noch ein wenig länger strahlen wird. Am Tag X, im April 1995, wurde der erste Castor vom AKW Philippsburg quer durch die Republik nach Gorleben gefahren und in einer Betonhalle untergestellt, die Zwischenlager genannt wird. Trotz Blockaden, Treckerdemos, besetzter Schienen. Hunderte Castors werden in den nächsten Jahren folgen.

Neben unzähligen Fernsehteams hat die „Wendländische Filmkooperative“ den Transport und die Proteste dagegen beobachtet. Herausgekommen ist ein ungewöhnlicher Film, der das Herannahmen des Atommülls, die Aktionen von Polizei und Demonstranten, die Gefühle von Bauern und Bürgern aus unterschiedlichen Perspektiven dokumentiert: „Der Transport“.

Es sind ruhige Bilder, ohne die üblichen schnellen Schnittfolgen. Und es gelingt dem Autorenteam, Roswitha Ziegler und Gerhard Ziegler, ihre Gegenüber tatsächlich zum Sprechen zu bringen. Sie geben keine Statements ab, sondern reden wie zu einer Nachbarin. Ungeschützt. „Habter gute Wasserwerferfotos? Alles klar, super, ciao“, sagen die Presseleute. „Die Versammlung befindet sich in einem Bereich, in dem das Versammlungsverbot greift“, sagt der Polizist. „Am besten, man behält seine Meinung für sich alleine“, sagt der kleine Mann. „Unsere Reaktoren sind so einfach, die kann jeder Neger bedienen“, sagt der Atomwerker.

Die Polizei wird immer netter. Richtig fürsorglich gehen sie mit manchen Demonstranten um: Deeskalationsstrategie vom Feinsten. Nur selten wird geprügelt. „Das sieht nicht schön aus, aber irgendwie muß man die Lage ja lösen“, sagt der uniformierte Pressesprecher.

Unterbrochen werden die Castor-Bilder von kurzen Interviewfetzen mit Henny van der Most. Der Holländer hat die Ruine des schnellen Brüters in Kalkar gekauft und will daraus einen Vergnügungspark machen: verwelkte Zukunftsentwürfe der Atomindustrie.

„Der Transport“ ist bereits der vierte Film des Autorenteams zum Thema Gorleben. Noch in diesem Monat soll der nächste Castor kommen. Manfred Kriener