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Schönbohms farbliche Linie

Der Innensenator ließ vor dem ersten Mai keine Gelegenheit aus, sich in den Farbtopf zu setzen. Besetzer konterten mit einer neuen Variante des Lappenkriegs  ■ Von Uwe Rada

Was ist ein Schönbohm? Ein Wolf im Schafspelz, ein Schaf im Wolfspelz oder bloß ein strammer Bursche? Der Frage nach der Identität des Innensenators gehen die Friedrichshainer Hausbesetzer seit geraumer Zeit nach. Seit Dienstag morgen gibt es nun die ersten Ergebnisse. Schönbohm ist, so stellte sich angesichts einer Polizeiaktion in der Jessnerstraße heraus, offenbar eine „Doppelnull“.

Das oberste Ziel des obersten Bullenfeldwebels ist derzeit, das traute Heim vertraulich zu belassen. Zur Erinnerung: Schönbohm hat seinen Wohnsitz in Kleinmachnow. Nur soll das so genau niemand wissen. Schon recht nicht die Berliner Kleinterroristen. Deshalb hat Schönbohm kurzerhand die Veröffentlichung seines Wohnsitzes unter Strafe stellen lassen.

Doch da hatte Schönbohn die Rechnung ohne die Bewohner der Jessnerstraße 41 in Friedrichshain gemacht. Die Besetzer dieses bunten Anwesens haben bereits in der Vergangenheit bewiesen, daß sie in Sachen Humor ihren Genossen um Längen voraus sind. Zum Beispiel organisierten sie aus Protest gegen die drohende Hinrichtung Abu Jamals die erste autonome Techno-Demo, über die die politisch korrekte Fraktion der Szene zwar die Nase rümpfte, was die massenhaft anwesende Polizei freilich nicht daran hinderte, die Wannen stehen und zum radical rave den Colt an den Hüften wackeln zu lassen.

Doch auch um politische Schärfe ist die „Jessi“ bemüht: „Schönbohm, Deine Räumung steht bevor“, sprühten die „Jessis“ drohend auf ein Laken und fügten seine Adresse hinzu: „Erlenweg 62, Kleinmachnow“. Einige Tage später war das Transparent verschwunden. Nicht aber die Phantasie der Besetzer: Kurzerhand malten sie den Spruch auf ihren Balkon und rieben ihn mit Speiseöl ein. Als am Dienstag morgen Handwerker mit einer Hebebühne und einem Großaufgebot an Polizei anrückten, um die Adresse zu tilgen, scheiterten sie kläglich. Das Öl war gegen Dispersionsfarbe immun.

Weil aber die Polizei darauf bestand, daß der Balkonspruch erstens eine Beleidigung („Deine“ Räumung und nicht „Ihre“) und zweitens eine Aufforderung zu Straftaten darstelle, ließ sie nicht locker: Die Handwerker mußten dem Spruch schließlich mit einer blauen Sprühdose zu Öle rücken.

In der Folge entwickelte sich ein hübsches Katz- und Mausspiel, an dessen Ende die oben genannte Erkenntnis stand: In der Annahme, daß man einen falsch geschriebenen Senator nicht beleidigen könne, hängten die Besetzer kurzerhand ein Laken auf. Darauf stand: „SchönbOOm, Doppelnull, blutleer und humorlos“. Aber auch das wollten die Beamten nicht auf ihrem Dienstherrn sitzen lassen. Sie drohten mit Maßnahmen. Kurze Zeit später wurde das Transparent eingeholt. Was die PC-Fraktion nun als Flucht vor dem Feind gegeißelt hätte, hatte bei den „Jessis“ aber einen tieferen Sinn: Bald nämlich prangten zwei Transparente an der Wand: „SchönbOOm, blutleer und humorlos“ und: „Doppelnull!“

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