Männer werden unwichtiger

■ Die Sachbuchautorin Regine Schneider über die neuen Vierzigjährigen

Mit provokanten Titeln wie „Gute Mütter arbeiten“ oder „Oh Baby“, einem Buch, das den Mythos der Mütterlichkeit entzaubert, hat die Hamburger Journalistin und Soziologin Regine Schneider (43) in den letzten Jahren von sich reden gemacht. Samstag stellte sie beim Bücherfrühling ihre Bücher „Krise als Chance“ und „Powerfrauen – die neuen 40jährigen“ vor.

Sie schreiben über die neuen 40jährigen. Was sind denn das für Powerfrauen?

Regine Schneider: Unter einer Powerfrau stellt man sich gemeinhin eine Frau vor, die alles schafft. Eine Frau, die mit ihren Kindern klarkommt, die eine attraktive Partnerin ist, die ihren Beruf wuppt und auch noch Karriere macht. Daß sie unter dieser Belastung nicht zusammenbricht, versteht sich von selbst. Viele Frauen trifft man in der Politik, die sich Männereigenschaften angeeignet haben und sehr hart wirken. Für mich sind das keine Powerfrauen. Eine Powerfrau ist eine Frau, die mit ihren individuellen Bedürfnissen und mit ihrer Persönlichkeit in Einklang lebt.

Und die neuen Vierzigjährigen sind solche Frauen?

Ja.

Was unterscheidet sie denn von ihren Müttern?

Frauen um die 40 steigen heute um, steigen aus, fangen noch mal von vorne an – beruflich sowie privat. Ihren Müttern war das verwehrt.

Haben sie es deshalb besser?

Natürlich. Sie haben mehr Möglichkeiten endlich Tabus zu brechen. Früher waren die Wechseljahre ein Tabu. Während unsere Mütter vieles in sich hineingefressen haben, können wir der Krise in der Lebensmitte heute zum Beispiel mit einer Therapie begegnen.

Sie schreiben aber, der Trubel um die neuen Vierzigjährigen sei verlogen.

Ja, sie werden in den Medien regelrecht hochgejubelt. Das ist verlogen, weil das nur an Äußerlichkeiten festgemacht wird. Es heißt, diese Frauen seien knackiger als frühere Generationen. Und: „Endlich wissen sie, was sie wirklich wollen“. Das Thema wird völlig oberflächlich abgehandelt. Es ist nämlich nur ein Vorteil, daß wir jetzt biologisch jünger bleiben. Das liegt unter anderem daran, daß wir für unsere Psyche mehr tun können. Unsere Mütter haben geschluckt, und das macht alt.

Ist das alles?

Das ist eine ganze Menge. Natürlich haben Frauen auch in beruflicher Hinsicht bessere Chancen als ihre Mütter. Man darf aber nicht übersehen, daß sich der Arbeitsmarkt den Frauen wieder mehr verschließt. Frauen sollen zurück an den Herd. Das hängt meiner Meinung nach mit der wirtschaftlichen Lage zusammen. Immer wenn die Zeiten schlechter werden, kommen irgendwelche verquasten pädagogischen Theorien auf den Tisch, die die Mütter zu ihren Kindern beordern.

„Gute Mütter arbeiten“, heißt eines Ihrer Bücher. Was macht arbeitende Frauen zu besseren Müttern?

Das sagt der Titel nicht. Viele Frauen fühlten sich von dem Titel provoziert. Die Quintessenz des Buches lautet: Eine gute Mutter ist eine zufriedene Mutter. Es ist völlig egal, ob sie arbeitet oder nicht. Wichtig ist, daß sie sich auf ihr Kind freut und daß sie mit ihrem Leben zufrieden ist. Kinder werden allerdings auch durch Vorbilder erzogen. Und eine berufstätige Mutter ist ein gutes Vorbild, weil sie ein komplettes Leben lebt und nicht nur einen Teil.

Was hat Sie überhaupt dazu bewogen, ein Buch über Vierzigjährige zu schreiben?

Als meine Tochter, ein Wunschkind, vor sieben Jahren geboren wurde, stürzte mich das in eine tiefe Krise. Ich stellte fest, daß die Baby-Krise nach der Geburt ein Tabu-Thema ist – deshalb habe ich ein Buch darüber geschrieben. Diese Krise zog aber eine Krise in allen Bereichen nach sich. Es kriselte in meiner Partnerschaft, ich stellte meinen Beruf als Brigitte-Redakteurin in Frage. Von anderen Frauen hörte ich, daß sie in dem Alter auch solche Krisen hatten. Ich habe mich gefragt, warum gibt es eigentlich nur Zeitschriften für junge Mädels? Also habe ich ein Konzept für eine Zeitschrift ausgearbeitet, die sich an Frauen über 35 richtet. Die Herren des Springer-Verlages haben mir aber zu verstehen gegeben, daß alte Frauen einfach nicht ziehen. Also schrieb ich ein Buch.

Welche Rolle spielen die Männer eigentlich im Leben der neuen 40jährigen?

Männer sind ihnen unwichtiger. In der ersten Lebensphase sind Frauen scharf auf einen Mann, um Kinder zu kriegen – wenn sie welche wollen, heißt das. Viele Frauen wollen auch einen Versorger haben. Ab Mitte Dreißig, wenn man sich selber was aufgebaut hat, verlieren Männer diesen Stellenwert. Man nimmt sie nicht mehr so ernst.

Gibt es eigentlich auch die neuen 40jährigen Männer?

Das weiß ich nicht. Mir fällt allerdings auf, daß Frauen eher bereit sind, an ihrer Midlife-crisis zu arbeiten. Männer neigen dazu, sich zu betäuben – und zwar meistens mit einer sehr viel jüngeren Frau.

Fragen: Kerstin Schneider (31)