Neue Mikrokappe

■ Das erfolglose Berliner Stadtfernsehen IA macht als Puls-TV weiter. Bis sich Ballungsraum-TV einmal lohnt

Die Pressemitteilung klang wie Verlautbarungen aus Zeiten der Einheitspartei. Die Berliner Lokal-TV-Station IA verkündete darin, daß ab dem 10. Mai eine erfolgreiche Zukunft unter dem neuen Namen „Puls-TV“ vor ihr liege. Man wolle „noch mehr Zuschauer“, „noch konsequenter“ die Programmstrategie umsetzen und „noch gezielter“ auf Wünsche eingehen. Solche Floskeln sagen meist mehr über die Peinlichkeiten der Vergangenheit aus als über Segnungen der Zukunft.

Erstere ist für den Ende 1993 gegründeten Privatsender eine Zeit, wo kaum jemand das Programm sehen wollte, in dem sich schlechte Filme mit herumhastenden Polizeireportern abwechselten. Die Werbewirtschaft ignoriert IA weitgehend, seine Gesellschafter kostet der Sender ein Heidengeld. Neben dem Gründer Ulrich Schamoni (10 Prozent) und dem Baulöwen George Soros (21,6 Prozent) sind das vor allem zwei Amerikaner: Der „Global Player“ Time Warner hält 21.6 Prozent, die Central European Media Enterprises (CME) ebenfalls – zuzüglich eines Anteils gleicher Höhe, über den sie treuhänderisch verfügt. Sie alle haben unterschiedliche Interessen an dem Berliner Sender: Weil Time Warner hauptsächlich an der lukrativen Hauptstadtlizenz liegt – als analoges Sprungbrett in die europäische Medienzukunft etwa –, drängte er zusammen mit Schamoni, den die grotesk hohen Anfangsinvestitionen klamm gemacht haben, auf Billig-TV.

Das mit der Baubranche verbandelte Anlageunternehmen CME dagegen sammelte zu der Zeit seines IA-Engagements gerade TV-Beteiligungen in Ostmitteleuropa. Am besten gelang das in Tschechien, wo CME's Nova-TV bei Traumreichweiten von 70 Prozent brummt und Millionen abwirft. Von denen sich einige gut in Berlin unterbringen lassen, um Steuern zu sparen und im „Zukunftsgeschäft“ Großstadt-TV dabei zu sein. Die CME hat darum den Relaunch allein finanziert.

Zum ersten Mal seit langem hat man dafür am Berliner Alexanderplatz, wo die letzten Jahre vor allem Anfänger dilettieren durften, wieder Profis eingestellt. Vom SFB etwa holte sich Puls-TV die Ex- Sat.1-Moderatorin Martina Conrath für ein neues Boulevardmagazin. Da soll es dann mittenhinein in die pulsierende Großstadt gehen, hinein in „Single-Show und Partnersuche, Swinger-Parties und Abstecher in Sex-Shops“. Überhaupt wird die bislang mit Billigspielfilmen zugeklebte Abendschiene von sechs bis halb elf durchmagaziniert, gefolgt von einem Talkprogramm, das man sich von ORB und premiere abgeguckt hat. Auch andere Formate, wie der „Ich bekenne“-Verschnitt „Tabu“ am Samstag wirken eher abgestanden. Zudem bleibt auch ohne Eselruf im Sendernamen der Marketingbereich schwach: Hier hat man als Chef wieder keinen Medienprofi eingestellt, sondern den Vermarkter einer Bierklitsche.

Für das Projekt haben sich die Amerikaner einen Geschäftsführer geholt, der nicht ohne eigene Interessen ist: Dietmar Straube, Betreiber von 10 lokalen TV Stationen in Bayern (FrankenTV) und Sachsen (Drehscheibe) ist damit seinem Ziel näher, über eine Kette von lokalen TV-Stationen billig zu produzieren und überregional Werbung einzukaufen. Ein Ziel, das auch die Multis mit Ballungsraum-TV anstreben.

Dennoch hat das gepriesene Großstadtfernsehen allenfalls mittelfristig eine Chance: Zu zögerlich entwickelt sich der regionale Werbemarkt, zu unklar ist, mit welchen TV-Formaten sich im kommenden Zeitalter der Medienunübersichtlichkeit Heimatverbundenheit verkaufen läßt. Kurzfristig werden sich alle Lokalen nach einem wärmenden überregionalen Mantel umsehen müssen, um die explodierenden Kosten zu minimieren.

Vorbild dabei: Die Hamburger Version des Großstadt-TV, die unter dem Namen „HH1“ recht erfolgreich läuft. Die „HH1“-Betreiber (unter anderem Springer, Time Warner und der Hamburger Medienunternehmer Frank Otto) hatten sich als Mantelprogramm das von der Luxemburger CLT betriebene Low-budget-Programm SuperRTL eingekauft – nicht für Geld, sondern gegen Abtretung von Werbezeiten. Bei dem Modell bleibt am Ende vom Regionalfernsehen nur ein Regionalfenster, doch für die Betreiber sind die Kosten kalkulierbar, und der Schritt in den Markt ist getan – zumal die Lizenz dem lokalen Betreiber gehört und Produzenten möglicher Mantelprogramme angesichts besetzter Kabelnetze und Antennenfrequenzen für jede Verbreitungsmöglichkeit dankbar sind.

Trotz aller Goldgräberstimmung war Ballungsraum-TV bislang vor allem etwas für Stadtpolitiker: Sie konnten sich vor den wachsenden Mikrofonsträußen stolz in Metropolenillusionen suhlen. Einstweilen steht jetzt in Berlin „Puls-TV“ auf dem Schaumgummi. Es dürfte nicht der letzte Name sein. Lutz Meier