Abtreibungen in Bayern erschwert

Sondergesetze zum Schwangerschaftsabbruch: Frauen müssen die Abtreibung im obligatorischen Beratungsgespräch begründen. Ärzte dürfen sich nicht auf Abbrüche spezialisieren  ■ Von Karin Flothmann

Der Freistaat Bayern liebt den Alleingang. Im vergangenen Jahr sorgte das Kruzifixurteil des Bundesverfassungsgerichts für bajuwarische Entrüstungsstürme. In diesem Jahr knöpft sich die bayerische Landesregierung das erst 1995 reformierte Abtreibungsrecht vor. Denn was Bundestag und Bundesrat im vergangenen Jahr beschlossen haben, geht den Bayern nicht weit genug. Mit Hilfe von zwei ergänzenden Gesetzen, die derzeit im Entwurf vorliegen, will die Staatsregierung nun eine bayerische Variante des Schwangerschaftsabbruchs einführen. Dazu gehören auch Strafvorschriften, die künftig nur in Bayern Gültigkeit haben sollen.

Geht es nach den Vorstellungen der Landesregierung, so müssen Frauen, die in Bayern abtreiben wollen, künftig innerhalb des vorgeschriebenen Beratungsgesprächs ihre Gründe für den gewünschten Schwangerschaftsabbruch nennen. Tun sie dies nicht, so bekommen sie keine Beratungsbescheinigung und können somit auch keine Abtreibung machen lassen. „Mit dem Gesetz“, so Friedrich-Wilhelm Hosemann von Pro Familia in München, „will man die Frauen zur Mitwirkung an der Beratung zwingen.“

Die heutige bayerische Ministerin für Bundesangelegenheiten, Ursula Männle, die von CSU-Seite zunächst am Kompromiß des Abtreibungsrechts auf Bundesebene beteiligt war, hält das Gesetzesvorhaben hingegen nur für konsequent: „Eine Beratung, wo nur Schweigen herrscht, ist doch keine Beratung.“ Außerdem gäbe es schon heute entsprechende Regelungen in Bayern.

Streit um den Zwang zur Offenlegung der Gründe

Beratungsstellen wie Pro Familia müßten in ihren Beratungsprotokollen stets auch den Grund für einen Schwangerschaftsabbruch nennen. Gesetzlich festgeschrieben würde also nur, was in der Praxis schon gang und gäbe wäre.

Gerechtfertigt ist der Zwang zur Offenlegung der persönlichen Gründe nach Männles Meinung außerdem durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 1993. Denn dort heißt es unter anderem, „für eine Konfliktberatung, die zugleich die Aufgabe des Lebensschutzes erfüllen soll, ist die Mitteilung der Gründe unerläßlich, die dazu führen, einen Schwangerschaftsabbruch zu erwägen.“

An anderer Stelle der Urteilsbegründung heißt es allerdings auch, daß es „der Charakter einer Beratung ausschließt, eine Gesprächsbereitschaft der schwangeren Frau zu erzwingen“. Diese Formulierung hat der Gesetzesgeber fast wortgetreu in das Schwangerschaftskonfliktgesetz übernommen. Ausdrücklich schreibt dieses Gesetz außerdem vor, daß eine Beratungsbescheinigung nicht verweigert werden darf, wenn die schwangere Frau dadurch in die Gefahr gerät, die vorgeschriebene Frist von zwölf Wochen zu überschreiten, in denen sie abtreiben darf. Mit dem geplanten „Beratungsgesetz“, davon geht Joachim von Baross vom Bundesverband der Pro Familia aus, würde Bayern daher nicht nur das 218-Urteil der Karlsruher Richter mißachten, sondern auch Bundesrecht brechen.

Mit einem zweiten Gesetzesvorhaben in Bayern, das den unaussprechlichen Namen „Schwangerenhilfeergänzungsgesetz“ trägt, soll außerdem die bayerische Ärzteschaft reglementiert werden.

Allgemeinärzte dürfen nicht abtreiben

Künftig dürfen danach in Bayern nur noch Frauenärzte, aber keine Allgemeinmediziner einen Schwangerschaftsabbruch durchführen. Jeder Arzt, der Abtreibungen vornehmen möchte, muß zuvor eine spezielle Fortbildung absolvieren. Weist er diese nicht nach und praktiziert dennoch, so kann er sich damit eine Ordnungsstrafe in Höhe von 20.000 Mark einhandeln. Zudem ist jeder Arzt verpflichtet, sich in einem zweiten Beratungsgespräch von der schwangeren Frau die Gründe für ihren Abtreibungswunsch nennen zu lassen und diese zu protokollieren. Paragraph 218 c des Strafgesetzbuches droht Ärzten ohnehin mit Strafe, wenn sie der schwangeren Frau nicht die Gelegenheit geben, über die Gründe ihrer Abtreibung zu reden.

Das von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Abtreibungsrecht verzichtet explizit darauf, eine staatliche Zulassung von Ärzten, die abtreiben wollen, vorzuschreiben. Anders die Bayern: Einrichtungen, insbesondere Arztpraxen, in denen Abtreibungen durchgeführt werden, brauchen eine besondere „Erlaubnis“ der Landesregierung. Wird einem Arzt diese Erlaubnis nicht erteilt und er führt dennoch Schwangerschaftsabbrüche aus, so kann er künftig damit rechnen, für ein Jahr ins Gefängnis zu wandern. Zudem darf ein bayerischer Arzt künftig nur ein Viertel seiner jährlichen Einnahmen durch Schwangerschaftsabbrüche erzielen.