Kritik und Repression

■ Wie pressefeindlich ist der slowakische Premier?

Da jauchzte die Opposition auf, als der slowakische Premierminister Vladimir Meciar auf einer Liste der zehn „größten Feinde der Presse“ erschien, die das US-Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) zusammengestellt hat: eine gruselige Gesellschaft von Diktatoren und Parteichefs aus aller Welt. Aus Europa kommend und frei gewählt sind davon nur Meciar und sein türkischer Amtskollege Mesut Yilmaz.

In der Türkei sind der Terror gegen Journalisten und Verbote von Zeitungen an der Tagesordnung. Aber es ist grotesk, die Slowakei damit in einem Atemzug zu nennen. Das kleine Land besitzt sechs überregionale Tageszeitungen, von denen fünf überwiegend regierungskritisch, bisweilen sogar regierungsfeindlich sind. Neben den staatlichen existieren private Rundfunk- und Fernsehsender, die Zensur ist laut Verfassung verboten, und die Unabhängigkeit des obersten Gerichtshofes, im Alltag ständig erprobt, entspricht dem europäischen Standard.

Anlaß zur Sorge gibt es dennoch reichlich. Der starke Arm der Regierung reicht bis in die wichtigsten elektronischen Medien, deren Führungspersonal nach politischen Kriterien ausgesucht worden ist. Im letzten Jahr versuchte die Regierung, die kritischen Zeitungen durch eine Steuerrechtsänderung an die Kette zu legen. Und künftig sollen Slowaken mit Gefängnis bestraft werden, wenn sie im Ausland wissentlich etwas behaupten, das gegen die „Interessen der Republik“ verstößt. Der Sohn des Staatspräsidenten – diesen will der machthungrige Premier aus dem Amt jagen –, ist vermutlich unter Beteiligung des Geheimdienstes entführt worden, das Fernsehen aber verbreitet offen die Regierungsversion, nach der sich der Sohn selbst entführt habe, um den Premier zu belasten.

Weil die nationalistische Regierung ihre eigenen Interessen mit denen des Staates gleichsetzt, läßt sie kaum eine Chance aus, ein repressives Klima gegen die Opposition zu schaffen. Das führt zuweilen zu hysterischen Gegenreaktionen. Zwar muß Meciars ruppiger Umgang mit der slowakischen Demokratie immer wieder vom Verfassungsgericht gebremst werden und sorgt im Ausland für prägnante Schlagzeilen. Aber eben auch im Inland. Und solange Meciar diese Kritik hinnimmt, hat er auf der Liste der Pressefeinde nichts zu suchen. Dietmar Bartz