Hose im Diesseits

■ Junge Hunde auf Kampnagel: Markus Dietze inszenierte „Racketier“

Racketier: ein Hobby-Massenmörder; Daphne: eine mannsfrustrierte Künstlerin. Ersterer gibt dem Stück seinen Namen; letztere sorgt für Unterhaltung von Schmunzeln bis Jubeln. Besonders Daphnes Monolog über eine weite Hose ist köstlich. So eine Hose, wie sie die jungen Frauen heutzutage tragen, möchte Daphne nämlich gerne haben, obwohl sie schon in den Vierzigern ist. Und da gibt es mancherlei abzuwägen: Darf eine derartige Hose aus Baumwolle sein? Welche Länge ist dafür angebracht, und sind 600 Mark für das begehrte Stück angemessen? Was werden die Leute zur Hose sagen, und was erst, wenn Valentin sie nicht mag?

Ach ja, der Valentin! Er treibt Daphne in den Eifersuchtswahn und in die Betten zahlreicher Männer, seinetwegen macht sie sich Sorgen wegen ihrer alternden Gesichtszüge. Mit großem schauspielerischen bis kabarettistischen Können verkörpert Isabel Binder die Daphne. Zwischendurch taucht immer wieder ein eifriger Kommissar auf. Er fahndet nach einem Mörder, der sich als Napoleon verkleidet. Doch was haben Daphne, Mörder und Fahnder miteinander zu tun?

Das bleibt eher im Dunkeln bei dieser Uraufführung, die im Rahmen des Junge Hunde-Festivals seit Mittwoch auf Kampnagel gespielt wird. Um festzustellen, daß es bei dem Stück Racketier von Ingrid Israel um zwei leidenschaftliche Suchvorgänge geht, die sich schließlich „exakt mathematisch gesehen – tödlich im Diesseits“ schneiden – dazu muß man vorher die Gebrauchsanleitung lesen.

Macht aber nichts, denn der Hamburger Regie-Student Markus Dietze schafft es mit seiner Abschlußarbeit immerhin, dem teils recht schwermütigen Stoff einen erstaunlichen Unterhaltungsquotienten unterzuschummeln. Dazu tragen auch die hervorragenden Ideen des Bühnenbildners Dirk Göpfert bei: Kunstwerke zerschmelzen und Daphnes Monologe werden durch herabfallende Gegenstände farbig illustriert. Durch das heitere Zusammenspiel von Wort, Objekt und Handlung erscheint Tragisches nur halb so schlimm. Nele-Marie Brüdgam