Leistungsnachweis: Parteibuch

■ Bezirksamtsleiter-Wahl in Mitte nach alter Väter Sitte Von Uli Exner

Es gibt sie noch, die SPD-Kungelrunden. Frei jeglichen innerparteilichen Demokratie-Klimbims. Die gute alte Vetternwirtschaft. Zu besichtigen am kommenden Dienstag in der Bezirksversammlung Mitte. Oder etwa doch nicht?

Zu vergeben im Hort sozialdemokratischen Filzes ist der Sessel eines Bezirksamtsleiters, gut dotiert mit rund 12.000 Mark monatlich und seit Bestehen der Bezirksversammlung ausschließlich besetzt mit SPD-Mitgliedern männlichen Geschlechts. So war's, so soll's bleiben. Jedenfalls wenn es nach dem Willen der sozialdemokratischen Führungsriege geht.

Gewählt wird: Herr Siegfried Bars, 44 Jahre alt, von Beruf Lehrer und derzeit ehrenamtlicher Vorsitzender der SPD-Parlamentsriege im Bezirk Mitte. Er soll Nachfolger des im Sommer in den Ruhestand tretenden Peter Reichel – richtig: SPD – werden. Bars hat den Segen der Mitte-Parteipäpste, Bausenator Eugen Wagner und Kreischef Volker Lange. Alles roger also?!

Nicht ganz: Es gibt ein winziges Problemchen. Weniger, daß die GAL mit Klaus Dressel einen eigenen Anwärter nominiert hat. Der Mann, verdientes Mitglied der „Aktionsgemeinschaft südliche Neustadt“, dürfte über den Status eines Zählkandidaten nicht herauskommen. Wesentlich größere Sorgen bereitet den Mitte-Filzokraten der Umstand, daß die SPD-Fraktion im Bezirksparlament nur über eine hauchdünne Ein-Stimmen-Mehrheit verfügt. Und daß sich im Vorfeld der Wahl jener innerparteiliche Demokratievirus in die rote Bastion rund um den Johanniswall eingeschlichen hat, der in diesen Gefilden ohnehin äußerst argwöhnisch beäugt wird.

Von einem höchst undemokratischen Nominierungsverfahren war da die Rede; und von mangelnder Qualifikation des SPD-Kandidaten. Besonders in Billstedt, größter Distrikt des Parteikreises Mitte, wurde Unmut laut. Wenn Bars gewählt werde, wetterte Distriktchef Heiner Biller, habe er das ausschließlich machtpolitischem Gekungel zu verdanken.

In der Tat ist die Art und Weise, in der Bars als Reichel-Nachfolger inthronisiert werden soll, ein Anachronismus:

– Während PolitikerInnen aller Couleur der Professionalisierung der Verwaltung das Wort reden und die Parteibuchwirtschaft im öffentlichen Dienst anprangern, verzichtete die SPD auf eine öffentliche Ausschreibung des Managerjobs. Nominierte statt dessen mit Bars einen verwaltungsunerfahrenen Amateur, als dessen einzige Qualifikation schon wegen des formalen Ausschaltens jeder Konkurrenz das Parteibuch erscheinen muß.

– Entgegen aller innerparteilichen Reformankündigungen der Hamburger SPD-Spitze wurde auch die Parteibasis nicht in die Postenvergabe einbezogen. Keine Vorstellung des Kandidaten in den Distrikten, von möglichen Mitgliederbefragungen gar nicht zu reden. Eine demokratische Abstinenz, die für Bars-Kritiker beweist: Der designierte neue Bezirkschef hätte in einem offenen Nominierungsverfahren noch nicht einmal innerparteilichen Qualifizierungsansprüchen genügt.

Einwände, die zunächst auch zumindest zwei SPD-Bezirksparlamentariern Unwohlsein bereiteten. In einer Probeabstimmung der Fraktion verweigerten sie Bars die Stimme. Und wurden dann auf Linie gebracht, „gedeckelt“, wie Heiner Biller es ausdrückt: Der von CDU und GAL im Parlament beantragten Ausschreibung des Chefsessels stimmten die beiden Kurzzeit-Dissidenten nicht zu.

Ob's dabei bleibt? Die Wahl am Dienstag ist, ein Novum in der Geschichte der Bezirksversammlung, geheim. Die Chance also, wenn nicht gegen die Person Bars, dann gegen das Auswahlverfahren zu stimmen, ist für jeden einzelnen SPD-Abgeordneten gegeben.