■ Hinterbank
: Die Buchhändler

Manche können nicht aufhören mit der Politik. Zu ihnen zählt etwa Ex-Bausenator Wolfgang Nagel, der zwar in die Immobilienbranche wechselte, sein Leben aber dennoch jeden zweiten Donnerstag im Abgeordnetenhaus als Hinterbänkler fristet – mit benommenem Blick auf die Regierungssessel. Nur wenigen gelingt der Wechsel in die Welt ohne Diäten, noch wenigeren gelingt dies auf eine elegante Art und Weise. Die beiden Bündnisgrünen Christian Puls und Annette Detering haben es geschafft.

Als gestern die SPD mit allerlei Prominenz ihre neue Bundeszentrale in Kreuzberg einweihte, waren die beiden Grünen mit von der Party. Sie packten im Erdgeschoß des Willy-Brandt- Hauses Bücher aus und stellten sie in die noch halbleeren Regale ihres bereits in der vergangenen Woche eröffneten Buchladens „Puls und Detering“. Beide Bürgerbewegten zählten im vergangenen Jahr zu den Mitgliedern der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus und organisierten damals eine vielbeachtete Diskussionsreihe zur Vergangenheit der DDR und Totalitarismusfragen. Doch in den verwinkelten Gängen des Preußischen Landtags sollten sie sich nie richtig zurechtfinden, und deshalb war von den Grünen unter anderem zur Jugend- und Medienpolitik unter der Woche wenig bis gar nichts zu hören, obwohl oder weil Puls und Detering dafür zuständig waren.

An diese Schwäche erinnert dieser Tage ein kleiner gemeinsamer Brief der heutigen Fraktion, in dem Pressesprecher Matthias Tang darauf hinweist, daß das Thema Jugendpolitik „in der Vergangenheit“ nicht die Rolle gespielt habe, die diesem wichtigen Politikbereich zukomme. Die beiden neuen Jugendpolitikerinnen Elfi Jantzen und Jeannette Martins wollen das ändern, obwohl ihr Vorgänger Puls nicht einmal ein Archiv hinterlassen hat. Nicht, weil er es die paar hundert Meter weiter in sein neues Antiquariat geschleppt hätte, sondern weil er offenbar gar kein Archiv führte.

Die Kritik aber kümmert „Puls und Detering“ nicht. Ihre Veranstaltungsreihe wollen sie im Willy-Brandt-Haus fortsetzen. Und Jochen Vogel etwa soll sein neues Buch vorlesen. „Rot- Grün bundesweit?“ werde für ihn dabei ein Thema sein, bei dem er das Gespräch mit seinem Vermieter suchen will, sagt Christian Puls, und so spielen der gelernte Buchhändler und die studierte Mathematikerin unversehens eine Rolle in der Bundespolitik, obwohl sie eigentlich nur Bücher verkaufen wollen. Dirk Wildt