Bremer Architektur auf Beistelltischchen

■ Möbelhaus Willems zeigt zwischen Sofa und Kommode eine Auswahl „stadtbildprägender Architekten“

Da stehen sie, die heftig diskutierten Messehallen des Bremer Architektenbüros Gert Schulze. Allerdings nicht auf der Bürgerweide. So schnell lassen sich politisch umkämpfte Architekturvisionen nicht verwirklichen. Vielmehr thronen die zarten Flachdachhallen derzeit in Miniaturformat auf einem Teewagen aus Nickel und Klarglas. Und das mitten in einem Möbelhaus. Der Grund fürs ungewöhnliche Ambiente: Das Einrichtungshaus Willems Wohnen an der Martinistraße zeigt anläßlich seines 50. Geburtstags eine „Ausstellung stadtbildprägender Architekten“.

Das alteingesessene Unternehmen will Diskussionsforum sein und dabei durchaus ästhetische Maßstäbe setzen. In der Jubiläumsausstellung haben BremerInnen die seltene Gelegenheit die Handschrift der Planer vor Ort, im großen Ganzen immer noch Männersache, konzentriert in Plänen, Modellen, Zeichnungen und Fotos kennenzulernen und zu vergleichen. Die fünf Architektenbüros Ewald Brune, Haslob, Hartlich und Partner, Rosengart und Partner, Peter Schnorrenberger und Gert Schulze sind mit jeweils drei Projekten vertreten. Übrigens - in diesem Zusammenhang nicht ganz unwichtig - keiner der Planer ist mit Willems geschäftlich verbandelt.

Und noch eins ist wichtig beim Konzept: Nicht jeder Architekt darf an der Martinistraße ausstellen. Durchaus stadtbildprägende Planer wie Gerhard Müller-Menckens, der beispielsweise den Friedhof Huckelriede erdacht hat, Ulf Sommer, dessen Passage Bürgerweide demnächst eröffnet wird, und Congress Centrum-Planer Thomas Klumpp, wurden schlichtweg weggelassen.

„Klumpp macht für mich Zeitgeistarchitektur“, sagt Chefin Anita Willems, „da stehe ich nicht ganz dahinter.“ Statt auf „kurzweilige Hochbauarchitektur“ setzt die Einrichtungsexpertin auf unauffällige, zeitlose Akzente wie das Securitas-Gebäude am Wall und auf Harm Haslobs Versicherungsbörse auf dem Teerhof. Der erste Entwurf, schwärmt sie, sei in der Toskana aquarelliert worden. Das Ergebnis passe fabelhaft in die Landschaft. Weil die Architektenkammer viel zu selten mit Ausstellungen an die Öffentlichkeit trete, sagt Anita Willems, will sie jetzt die bremische Diskussion anregen.

Die Entwürfe der Herren Architekten reichen von beliebiger Investorenarchitektur bis zu klassischen Lösungen mit Bauhausvokabular. Doch nicht immer passen Modelle und designte Möbel in dieser Präsentation nahtlos zusammen. Die Fotos der sensibel mit viel Grün, Holz und humanen Proportionen erdachten Alten-, Reha- und Pflegesiedlung Stiftungsdorf Osterholz haben herzlich wenig mit dem darunter plazierten Edelsofa für rund 6000 DM zu tun.

Exquisit und teuer eingerichtet kann man sich schon eher die von Schulze entworfenen Eigentumswohnungen rund um das Oberneulander Gut Landruh vorstellen. Die Planer, das zeigen die ausgestellten Zeichnungen im Obergeschoß von Willems, versuchen bei diesen dreigeschossigen Wohnhäusern mit Staffelgeschoß einen Spagat zwischen zurückhaltender Außengestaltung und luxuriöser Innenaufteilung.

Gleich am Eingang wird in Großfotos Gert Schulzes ehrgeiziges Projekt Flughafen 2000 präsentiert, das mit auberginefarbigem Klinker aus dem bayerischen Waldsassen eigene Wege geht. In einer Plexiglasvitrine ist ergänzend das Modell ausgestellt. Wie vom Flugzeug aus läßt sich hier der Mix aus Shed- und Tonnendach studieren und die Flachdächer, auf denen später einmal großes Löwenmaul und echtes Joahnniskraut gedeihen sollen. Ein Lageplan erläutert die künftige „Airport-Stadt“, die drumherum wachsen soll.

Ein paar Schritte weiter ist Altbekanntes zu sehen wie der rasante Fallturm vom Rosengart-Team und Ewald Brunes markanter Sechseckbau, seit 1975 Verwaltungszentrale der Becks-Brauerei. Am Treppenaufgang hängen Fotos von Harm Haslobs würfelförmiger Versicherungsbörse auf dem Teerhof. Der nahegelegene Turm der Wasserwerke, die sogenannte umgekippte Kommode, stand Pate für die moderne Kompaktlösung.

Über einer echten Kommode wiederum und einem Hortensienstrauß ist die Katharinen-Passage mit dem neuen Gebäude der Bremer Landesbank auszumachen. Architekt Ewald Brune arbeitet hier mit gefälligen Schmuckmotiven und Flugdächern. Doch nicht alle Ausstellungsstücke werden realisiert. Rosengarts Entwurf für ein Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation Zarm nahe dem Fallturm bleibt in der Schublade. Und um Schulzes Messehallen geht das Tauziehen weiter (Bis 25. Mai)

Sabine Komm