"Nachvollziehbar ist das nicht mehr"

■ Eckhardt Barthel, ausländerpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, zum Verhalten der Innenverwaltung gegenüber den bosnischen Flüchtlingen. Innensenator Schönbohm sollte das peinliche Spiel seiner Behör

taz: CDU-Innensenator Jörg Schönbohm hat vor kurzem erklärt, die bosnischen Flüchtlinge „müssen zu Hause Hand anlegen und nicht hier die Hand auflegen“. Ist der Innensenator dem Verein zur Förderung von Ressentiments und Fremdenfeindlichkeit beigetreten?

Eckhardt Barthel: Mich hat diese Aussage, die wohl ein lustiges Wortspiel sein sollte, tief entsetzt. Möglicherweise kennt er die Lage an den Stammtischen, aber nicht die Lage in Bosnien und auch nicht die Lage der Flüchtlinge hier.

Die Innenminister der Länder haben nach ihrer letzten Konferenz zu erkennen gegeben, der 1. Juli als Beginn der „Rückführung“ von hier lebenden Flüchtlingen sei vom Tisch. Hintergrund: die angespannte Lage in Bosnien. Zwischen 50 und 80 Prozent der hiesigen Flüchtlinge können gar nicht in ihre Heimat zurück, weil die inzwischen von anderen ethnischen Gruppen kontrolliert wird. Werden Sie den Innensenator auffordern, das restriktive Verhalten von Innenverwaltung und Ausländerbehörde zu ändern und die Ausreiseaufforderungen und Abschiebedrohungen zurückzunehmen?

Erst mal werde ich mir den Bericht von der Innenministerkonferenz anhören. Nach deren Beschluß im Januar soll sofort alles unternommen werden, daß die freiwillige Rückkehr inklusive Orientierungsreisen ermöglicht wird. Die Menschen wollen doch sehen, ob ihr Haus noch steht, ob sie dort überhaupt eine Lebensgrundlage haben. Um durch die Transitländer ein- und ausreisen zu können, brauchen sie aber eine mindestens drei Monate gültige Aufenthaltsbefugnis, und die kriegen sie in Berlin nicht. Da besteht dringender Handlungsbedarf.

Innenstaatssekretär Kuno Böse behauptet, ein Abkommen mit den Transitländern, das das Vorzeigen einer Befugnis überflüssig machen würde, würde demnächst unterzeichnet.

Das hat er schon vor acht Wochen behauptet. Außerdem hat er davon gesprochen, daß die Befugnis auch durch eine „Stempellösung“ ersetzt werden könnte. Nichts davon ist bisher verwirklicht. Man kann doch nicht davon reden, die Flüchtlinge würden nur die Hand aufhalten, und ihnen gleichzeitig die Vorbereitung ihrer Rückkehr verwehren.

Das Verwaltungsgericht hat in einer Vielzahl von Verfahren die Ausländerbehörde verpflichtet, den Flüchtlingen eine Befugnis in den Paß zu stempeln. Aber diese hält sich einfach nicht daran. Hat die Innenverwaltung ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat?

Ich finde es ein Unding, daß die Innenverwaltung sich nicht an Gerichtsentscheidungen hält. Der Innensenator muß sich überlegen, wie lange er dieses Spiel noch mitanguckt. Man könnte sich diese Klageflut und diesen peinlichen Konflikt zwischen Exekutive und Judikative ganz einfach dadurch sparen, daß man den Menschen eine Befugnis zugesteht.

Wie erklären Sie sich dieses Verhalten, Rückkehrer an der Rückkehr zu hindern?

Offenbar hat die Innenverwaltung die unbegründete Sorge, daß sich der Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge mit einer Befugnis verfestigen könnte.

Also juristischer Fundamentalismus: Wir vergeben keine Befugnis, egal was das für Kosten, Klagefluten und Kontraproduktivitäten verursacht?

Ich kann ja nicht in die Köpfe der Innenverwaltung schauen. Nachvollziehen kann ich das alles nicht. Kuno Böse behauptet, rechtlich sei es nicht möglich, Befugnisse zu erteilen. Dann verstehe ich nicht, warum andere Bundesländer – Brandenburg, Nordrhein- Westfalen, Sachsen-Anhalt – das praktizieren. Aber selbst wenn das so wäre, ändert das nichts am Widerspruch zwischen dem erklärten Ziel der Innenbehörde, Orientierungsreisen zu ermöglichen, und seiner Nichtumsetzung. Interview: Ute Scheub