piwik no script img

Ein Eigenheim für Tauben

■ Ab heute haben auch Tauben ein Zuhause: An der Gedenkbibliothek will das Veterinäramt Kreuzberg die Viecherplage mit sanften Methoden in den Griff bekommen

Die Vertreibung mittels Ultraschall, das Vergiften durch Krebspillen oder das simple Abschießen haben die Berliner Tauben überlebt und gedeihen weiterhin prächtig. Weil die Vögel beharrlich ihre ökologische Nische in der Stadt verteidigten, hat das Veterinäramt Kreuzberg nun diese brachialen Methoden ausgesetzt. Den „Ratten mit Flügeln“ soll es nicht mehr an den Kragen gehen, vielmehr wird mit den Störenfrieden kooperiert: Die Tauben bekommen ihre eigenen Häuser.

Ein solches „Taubenhaus“ wird heute neben der Amerika-Gedenk-Bibliothek eingeweiht. Es soll die Vögel vom Blücherplatz und vom U-Bahnhof Hallesches Tor weglocken und ihnen einen zentralen Anlaufplatz geben. Dort aber will der Mensch ein wachsames Auge auf die gefiederten Ungeheuer haben, sie durch Eierklau an der Vermehrung hindern und ihnen dafür Gipseier unterschieben. Im Gegensatz zu anderen Taubenhäusern soll das Kreuzberger Luftkreuz richtig funktionieren, hofft Jürgen Bach, Leiter des Veterinäramtes. Denn der Taubenschlag an der AGB hat eine „attraktive Einflugschneise“: Er hat keinen Zweifel, daß die Tauben hier zur Landung ansetzen werden.

Bach versucht, den Eingang zur U-Bahn für den Homo sapiens zurückzuerobern, denn bisher bevölkerten die Tauben den Platz am Halleschen Tor und vermiesten den Menschen die ganze Gegend. Von den Anwohnern achtlos weggeworfene Essensreste dienten nicht nur den Tauben als Nahrung, sondern zogen auch ihre Verbündeten am Boden, die Ratten, an. Der Taubenkot türmte sich bis zu vierzig Zentimeter hoch unter der Anlage des Bahnhofs. Wer in die U-Bahn wollte, setzte sich der Gefahr von stinkenden Bombardierungen aus der Luft aus. Die Fassaden, auf denen die Tauben sich niederließen, wurden vom scharfen Kot verätzt.

Die „harten“ Versuche, sich des Problems zu entledigen, schlugen fehl. Das Abspannen der Gebäudefassaden und des Bahnhofs mit Drahtgittern fruchtete nicht. Im Gegenteil, sie führten nur, laut Bach, zur „Verslumung“ der Tiere. Sie verhakten sich in den Netzen und zogen sich Verletzungen zu, blieben aber trotzdem an Ort und Stelle. Der Einsatz einer „Anti-Baby-Pille“ scheiterte am Widerstand von Tierschützern, denn die Medikamente enthielten ein Krebsmittel, das den Vögeln einen qualvollen Tod bescherte.

Also taten sich das Kreuzberger Veterinäramt, die BVG und das Tierheim Lankwitz zusammen und überlegten sich, wie eine „weiche“ Prävention aussehen könnte. Das Ergebnis war ein „integratives Konzept zur Bestandsregulierung“. Keine „harte“ Repression mehr, sondern ein eher ganzheitlicher Ansatz, der sich nicht in oberflächlicher Symptombekämpfung erschöpfen sollte. Oder wie es Jürgen Bach formuliert: „Es geht nicht um Bekämpfung der Taubenplage, sondern um Bestandsregulierung.“ Die Regulierung hat neben einer sicheren Zuflucht im Taubenhaus noch andere Mittel: In den umliegenden Kirchtürmen wurden Falken angesiedelt. Die sind zwar keine direkten Feinde der Tauben, bedrohen sie aber und lassen die Tauben die Gegend meiden. Außerdem soll eine neuartige „Anti-Baby-Pille“ auf rein hormoneller Basis den Fortpflanzungstrieb eindämmen. Bach ist vom Erfolg seines Konzepts überzeugt: „Am Marheinekeplatz haben wir schon den Platz für ein weiteres Taubenhaus ausgekundschaftet.“

Größtes Problem sind allerdings die Menschen. Denn die Tauben werden sich an ihr neues Haus halten, meint Bach. Scheitern könnte das Ganze nur an der Tierliebe einiger Anwohner, die die Viecher weiterhin an anderen Plätzen füttern. Das Bezirksamt plant daher auch die „sinnvolle Einbindung und Absorption der Aktivität von Taubenfreunden“. Unter dem Motto: „Nichtfüttern ist Tierschutz“, wurde bereits in einem benachbarten Seniorenwohnheim Aufklärung betrieben. Tobias Rapp

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen