■ Kommentar
: Kassensturz beim Verkehr

„Die Straße“ ist mehr als nur Seismograph für gesellschaftliche Stimmungen. Denn sie bietet zeitweise nicht nur protestierenden Studenten und wütenden Gewerkschaftern einen wichtigen öffentlichen Raum. Das Kopfsteinpflaster und der Asphalt erfüllen daneben auch einen ganz anderen, aber alltäglichen Zweck – nämlich den Weg von A nach B zu bahnen. Diesen Sinn stellen weniger kurzzeitig staufördernde Demonstrationen in Frage, als vielmehr zu viele Leute mit zu vielen Autos, die sich gegenseitig den Weg versperren. Weil auf der Straße die automobile Bewegung immer langsamer und damit sinnloser wird, bekommt eine Fortbewegung mit Hilfe der eigenen Füße, mit Rad, Bus und Bahn immer mehr Bedeutung. Doch wie steht es in Berlin um diesen banalen Zusammenhang? Weil der ehemalige Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) mit neuen Autobahnen, Zentralbahnhof, Tunneln, Straßenbahnen, Transrapid und Großflughafen allen alles verprach, funktioniert bald gar nichts mehr. Jetzt werden gerade die Vororte vom S-Bahn-Netz abgekoppelt, weil in Bonn das Geld alle ist. Die Milliardenpleite kommt dabei nicht überraschend. Die Bündnisgrünen warnten vor vier Jahren, die Sozialdemokraten dann vor zwei Jahren vor dem Aus für diverse geplante Schnellbahnprojekte.

Wie man vorausschauende und damit zuverlässige Politik macht, zeigt seit Monaten Sparsenatorin Annette Fugmann- Heesing (SPD). Erstmals seit Jahren nähern sich Haushaltspläne der Wirklichkeit an. Auch in der Verkehrspolitik ist schon lange ein Kassensturz nötig. Schließlich kann man mit wenig Geld nicht die Politik gefüllter Kassen machen: Uneffektive, aber teure Auto- und U-Bahn-Tunnel etwa müßten vom Reißbrett verschwinden und so finanziell Platz machen für die leistungsfähigen und billigen Schnell- und Straßenbahnen. Das Busspurnetz müßte sogar sofort verlängert werden, weil dies mit dem geringsten Aufwand am allerwirkungsvollsten für eine große Mehrheit der Berliner den Weg zwischen Wohnung, Arbeit und Geschäften freiräumt. Von Bau- und Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) allerdings konnte man bislang noch kein Wörtchen zum Thema Verkehr hören. Schweigen ist zwar auch ein Versuch, nichts falsch zu machen, doch fürs Nichtstun werden Senatoren nicht gewählt. Dirk Wildt