Auf Urlaub von den Pollen

■ Der neueste Reisetrend führt weit in den Süden, wenn der Norden aufblüht

Über den Wolken ist die Freiheit bestimmt nicht grenzenlos. Aber die Freiheit von Pollen ist garantiert. Niemand, der nicht zu den Triefaugen der Heuschnupfenfraktion zählt, kann sich wirklich vorstellen, was das bedeutet. Kein Niesanfall, kein Reibeisengefühl unter den geschwollenen Lidern, keine Ausschläge auf der Haut wenn die Bäume ausschlagen. Kein Wunder, daß von Mitte Februar bis Ende September ein neuer Tourismus floriert: Urlaub vom Heuschnupfen.

„Vier Tage hat es gedauert, dann war alles wie weggeblasen“, schwärmt Klaus aus Kreuzberg. „Die Tempotaschentücher hab' ich weggeworfen“, jubelt Christiane aus Bielefeld. „Nur der wilde Oleander reizt mich ein bißchen“, weiß Sonja aus Freiburg. Die Allergie-Urlauber sitzen in einer Taverne am kretischen Strand und lecken ihre fast verheilten Wunden. Seit dem Start ihrer Charterflugzeuge haben sie die reizenden Pollen hinter sich gelassen.

Birken, Erlen, Haselsträucher und ähnliche Allergieauslöser nördlicher Breiten gibt es am Mittelmeer nicht. Was dort im Frühling so schön blüht, ist dagegen zu Hause nur als Topfpflanze bekannt. Zum Auslösen einer Allergie sind die südlichen Gewächse in Deutschland nicht verbreitet genug. „Nur als ich neulich an einem Haferfeld vorbeigeradelt bin, ging es plötzlich wieder los“, berichtet Klaus. Doch schon unten am Strand war der unangenehme Reiz wieder verflogen.

Noch gibt es keine Reklame für den Pollenflucht-Tourismus. Doch wie bei anderen Urlaubsformen auch werden den Vorreitern, die sich in den letzten Jahren am Mittelmeer fanden, bald die Massen folgen. Und ausnahmsweise werden sie damit nicht zerstören, was sie suchen. Denn Birken wollen ohne kalten Frühlingsregen einfach nicht wachsen. Die Slogans der einschlägigen Urlaubsindustrie sind schon absehbar. „Genießen ohne Niesen“ wird es auf den Prospekten heißen, und die Unterkünfte werden angepriesen als „schöne und luftige Zimmer in trockener Landschaft ohne Getreideanbau“. Und es wird nicht mehr heißen: „Zur Apfelblüte ins Alte Land“, sondern: „Zur Zeit der Birkenblüte nach Jamaika“.

MitarbeiterInnen der Reisebüros werden sich fortbilden. „Ohne Heuschnupfen in den Alpen“ werden die Kurse heißen oder: „Finnland, Paradies der späten Baumblüte“. Spezielle Angebote werden Gräserpollen-Allergiker in die tunesische Wüste locken und Hausstaub-Allergiker in marmorgeflieste Villen der Toskana. Und die schönsten Tage des Jahres werden dann genommen werden, wenn es zu Hause am stärksten pollt. Elektronische Blütenplaner werden dabei helfen, schon im Januar den optimalen Zeitpunkt für die Reise zu bestimmen, Last-Minute-Anbieter werden den Kurzentschlossenen zur Flucht verhelfen.

„Angst hab' ich ja nur, daß in Deutschland das Wetter so schlecht ist, daß die Birken noch blühen, wenn wir wiederkommen“, meint Klaus. Christiane aus Bielefeld gießt sich aus der Karaffe noch einmal Rezina ins Glas. „Ich ruf' vorher an und verlänger einfach, wenn es noch nicht vorbei ist“, meint sie. Und Sonja aus Freiburg hat schon einen ausgefeilten Plan: „Wenn hier die Gräser blühen, fliege ich nach Kapstadt. Da fängt dann der Winter an.“ Ase