„Die PDS war ein Signal für mich“

■ Rio Reiser, der heute im Tivoli auftritt, über Schauspielerei, Politik und Anarchie

Rio Reiser ist heute 46 Jahre alt. Aus dem einstigen Vorzeige-Anarchisten und Sänger der 70er-Jahre-Kultband Ton Steine Scherben ist – spätestens seit dem „König von Deutschland“ – längst ein bemüht nachdenklicher Pop-Poet mit Talk-Show-Appeal geworden; quasi ein Grönemeyer für Intellektuelle. Seine öffentliche Wahlkampfunterstützung für die PDS, zuletzt während der Landtagswahl in Sachsen, sorgte unter seinen alten Anhängern für Empörung. Weniger Beachtung fand sein letztjähriger Tatort-Soundtrack „Himmel und Hölle“ und das gleichzeitige schauspielerische Gastspiel in der Sendung. taz hamburg sprach mit dem gezähmten Musiker, Schauspieler und Buchautor.

taz hamburg: Du hast Hausbesetzer-Hymnen geschrieben, eine Single in den Charts gehabt, ein Musical geschrieben, ein Buch veröffentlicht, im „Tatort“ mitgespielt und den Soundtrack für die Sendung geschrieben. Bekommst du keine Identifikationsprobleme?

Rio Reiser: Wenn du Sänger bist, bist du schon ziemlich nah dran an der Schauspielerei. Das siehst du ja schon an David Bowie, Art Garfunkel, Mick Jagger, Frank Sinatra und Dean Martin (grinst). Zum Autor bin ich nicht geboren. Aber ich male ja auch. Wenn man sich auf eine Sache konzentriert, kommt man auch immer in die Verlegenheit, sich zu wiederholen.

Findest du, daß Randgruppen wie Autonome, Skins etc. in Fernsehkrimis wie dem „Tatort“ überzeugend dargestellt werden?

Das ist ja nicht nur bei Punks so, sondern auch wenn zum Beispiel Arbeiter dargestellt werden, sind das immer Klischees. Solche Rollen werden an den Schauspielschulen, besonders in den alten Ländern, nicht gut gelehrt. DDR-Schauspieler haben das meist wesentlich besser drauf.

Wie waren die Reaktionen auf deine PDS-Wahlkampfunterstützung?

VIVA zum Beispiel hat sich geweigert, das „König von Deutschland“-Video zu senden, weil die PDS in ihrer Europawahlwerbung einen Kinderchor das Lied hat singen lassen. Aber das ist mir egal. Ich will auch nicht auf Gedeih und Verderb unbedingt mit irgendeiner Partei identifiziert werden. Das war ein Signal für mich, und ich komme mit einigen Leuten, die ich kenne, sehr gut aus. Die Richtung sagt mir mehr zu als das, was die Grünen im Moment machen. Aber ich werde nie wirklich in eine Partei gehen und mich da engagieren, weil ich kein Vereinsmensch bin.

Viele deiner alten Anhänger haben Probleme mit deiner Entwicklung: vom szeneverhafteten Anarchisten direkt in die Charts und den „Tatort“.

Dann soll mir mal jemand von denen erklären, was man als Anarchist so darf und was nicht! Gibt's da klare Grundregeln in der Anarchie? Wenn das so ist, dann bin ich kein Anarchist. Falls man in der Anarchie machen kann, was man will, was einem Spaß macht und was man für richtig hält, dann bin ich ein Anarchist.

Fragen: Timo Hoffmann