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Werder ohne Stärken...

■ ...aber dafür mit der schlechtesten Leistung der ganzen Saison / Ein Rückblick

Das ist nicht die Meinung eines hartnäckigen Kritikasters, sondern die von Werder-Trainer Dörner. Und wenn der Trainer mal Recht hat, dann hat er Recht. Und deshalb kann man die Würdigung des Spiels Werder Bremen gegen Schalke 04 an dieser Stelle guten Gewissens beenden. Bleibt noch ein bißchen Raum für Anmerkungen zur Bundesliga-Saison 1995/96.

Drei Mannschaften beschließen diese Saison mit einem für ihre Verhältnisse guten Tabellenplatz: Schalke 04, überraschend Dritter hinter Dortmund und Bayern, und der Hamburger SV, am letzten Spieltag noch auf Platz fünf und damit auf einen Uefa-Cup-Platz gerutscht.

Beiden Mannschaften – dem HSV noch mehr als Schalke – mangelt es an spielerischer Substanz, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Daß es national zu einem Top-Platz reicht, das verdeutlicht nur das schwache Gesamtniveau der 1. Bundesliga und bestätigt, daß die Saison 1995/96 bis auf Spannung im Meisterschafts- und Abstiegskampf wenig Ermutigendes zu bieten hatte.

Das dritte Team mit überraschend gutem Tabellenplatz ist Werder, das dank Freiburgs Niederlage in Dortmund doch noch auf Platz neun landete und über den UI-Cup sogar noch einen Weg in den Uefa-Cup finden kann. Finanziell vielleicht wünschenswert, aber wer ein wohlmeinender Werder-Fan ist, der hätte sich Platz zehn gewünscht und damit eine ordentliche Pause zum Regenerieren für die Werder-Spieler und Zeit für Trainer Dörner, sich Gedanken zu machen, wie man bis zum Saisonbeginn 96/97 den Sturm und das Mittelfeld verstärken kann.

Gelingt das nämlich nicht, dann ist das Lauterer Schicksal dieser Saison das Schicksal Werders in der kommenden. Zur Erinnerung: Lautern gab Stürmer-Star Kuntz und Mittelfeld-Star Sforza ab, kaufte nicht gleichwertig nach und schon reichte die Substanz nicht. Werder gibt nun seinen einzigen Star – nämlich Mario Basler – ab, und bei allem Respekt vor Jens Todt, der aus Freiburg kommt: Wenn Basler weg ist, dann ist der Spieler weg, der überraschende Akzente zu setzen vermag. Cardoso konnte es Samstag beim Spiel gegen Schalke nicht und davor auch nicht oft. Eilts ist defensiv stärker als im Spiel nach vorn, und Bode ist bestenfalls torgefährlich, aber kein Spielentwickler.

Werdern braucht einen Denker und Lenker, und wenn der herbeigesehnte Andreas Herzog seinem Instinkt und damit dem Geld folgt, dann spielt er demnächst in Holland, und Werder hat in der kommenden Saison keinen Kopf für die Mannschaft. Manager Lemke betonte zwar, daß Trainer Dörner für diesen Fußball-GAU, die „GAN“ (größte annehmbare Nichtverpflichtung), noch geheime Alternativen habe, aber da ist Skepsis angebracht. Intelligente, zukunftsorientierte Spieler werden vor einer Unterschrift bei Werder zurückschrecken, weil kein überzeugendes Konzept auf dem Tisch liegt. Intelligente, zukunftsorientierte Spieler werden aber gebraucht, wenn man sich wieder in die deutsche Ligaspitze spielen und international mithalten will.

Werders Reserven (van Lent, Unger, Barten) sind dünn. Die Albayraks, Viers, Borowkas sind schon von dannen, und Votava, Schulz, Sauer befinden sich so gut wie im Vorruhestand.

Wen könnte man gebrauchen? Frey zum Beispiel, aber der Ex-Bayer spielt demnächst für Freiburg. Fredi Bobic, aber falls der Stuttgart verläßt, wird er mit Geld überschüttet werden, und das tut Manager Willi Lemke nicht gerne. Von Dortmund kriegt man eh keinen, Herr Feldhoff ist mit Leverkusen leider nicht abgestiegen. Lauterns Kuka, siehe Bobic, Effenberg spielt weiter in Mönchengladbach, Jeremies wird 1860 kaum verlassen. Wir sind gespannt, was Dixie uns präsentiert und was Willi bezahlt.

Nicht mehr präsentieren wird sich Frank Neubarth. Der hatte als Spieler seinen letzten Auftritt am Samstag gegen Schalke 04 und verlor 1:2. Sein erster Bundesliga-Auftritt für Werder in Köln endete ebenfalls mit einer 2:1 Niederlage. Da rundet sich eine Karriere, von der Werder lange profitiert hat. Der Profi Neubarth indes ist nach 13 Jahren Werder ausgelaugt. „Der Körper ist so verschlissen, daß es nicht mehr weitergeht“, sagte Mister-Europa-Cup, und wir wünschen ihm viel Erfolg bei der Trainingsarbeit mit Werders Nachwuchs, denn vielleicht spielt Werder eines Tages doch mal wieder im Europa-Cup, und da kann man frische, junge Neubarths gut gebrauchen.

Der einzige Werder-Spieler, der in der nächsten Saison in einem europäischen Wettbewerb spielt, ist Mario Basler, und der ist bekanntlich dann kein Werder-Spieler mehr, sondern wie die Schalke-Fans geschmacklos gröhlten ein „Bayern-Schwein“. Das ist er natürlich nicht. Basler ist lediglich vom alten Vize-Meister Werder Bremen zum neuen Vize-Meister Bayern München gewechselt und deshalb zu recht der „Vize-Mario“. Und das kann er, solange er in München spielt, auch ruhig bleiben.

Otmar Willi Weber

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