Bei mir bist du strange for two

■ Mark Scheibe und seiner Kapelle „Acapulco“ war im Jungen Theater nichts heilig

Können Sie sich eine Band vorstellen, die Werke von Franz Schubert und Gunther Gabriel mit der gleichen Sensibilität und Inbrunst interpretiert? Die Gershwins „I got Rhythm“ so holprig spielt, daß die Musik den Titel gnadenlos ad adsurdum führt? Oder die mit „Bei mir bist Du schön“, „Strangers in the Night“ und „Tea for Two“ gleich drei glorreiche Evergreens in einem Arrangement unter dem Titel „Bei mir bist Du strange for two“ dahinmordet?

Freitag nacht wurden so im Jungen Theater die Musikstile und jedermanns Lieblingslieder gleich reihenweise durch den Kakao gezogen. Mark Scheibe und seine kleine Bigband „Acapulco“ versuchten mit großem Ehrgeiz aus jeder Note einen Lacher zu pressen – je abseitiger und boshafter die Pointen desto besser. Mit gleichgemusterten Hawaiihemden der Bandmitglieder, einem Kruzifix an der Hammondorgel und Plastikfischchen in einem Aqarium wurde auf der Bühne deutlich signalisiert, daß hier Musik „zum Wohlfühlen“ angesagt war. Zudem spielte der Bandleader Mark Scheibe mit seinen humorigen Ansagen und einem unentwegt schleimigen Lächeln auf den Lippen den netten Conferencier so einschmeichelnd und penetrant, daß man seine hemmungslose Glorifizierung des schlechten Geschmackes nur bewundern konnte.

„La-la-la-lei-den-schaft“ sollten alle Konzertbesucher bei einem Stück mitsingen, und auf dem Programmzettel waren sogar die Noten für „Damen“ und „Herren“ getrennt aufgeschrieben. Alle Zeichen und Klischees wiesen eindeutig in Richtung „easy listening“, doch Mark Scheibe arrangierte jedes Stück konsequent gegen den Strich, und so waren hier plötzlich tausendmal gehörte Schlager und Balladen und Swingstandards in geradezu avantgardistischen Mutationen zu hören. Der simpelste und wirkungsvollste Trick war noch, die Songs einfach durch möglichst absurde deutsche Texte auf den Kopf zu stellen. So wurde in Chet Bakers melancholischer Ballade „Everything Happens to Me“ plötzlich Mark Scheibes Nachbarin umgebracht, und in Billy Strayhorns „Lush Live“ wetterte der Sänger über „arbeitsscheues Gesindel“.

Hinterhältiger und deshalb letztlich auch überzeugender waren aber die rein musikalischen Verfremdungseffekte. Da wurden triviale Gassenhauer plötzlich mit hochkomplizierten Arrangements aufgeblasen und die Introduktion zu „My Funny Valentine“ war so ausufernd schräg, daß der Sänger nur mit großer Mühe seinen Einsatz fand. Daß Mark Scheibe mühelos zwischen den verschiedenen Musikgenres hin und her hüpfen kann und dies mit seinem absurden Sinn für Humor auch gerne macht, konnte man schon bei seinem früheren Programm im Jungen Theater hören, bei dem er seine Musik spontan auf Zurufe vom Publikum hin entwickelte.

Die große Überraschung an diesem Abend war aber, daß er sechs Mitspieler gefunden hat, die nicht nur fehlerlos seine irrwitzigen Arrangements (für Geige, Trompete, Posaune, Bassklarinette, Saxophonen, Gitarre, Baß, Schlagzeug und Orgel) spielen, sondern dabei auf der Bühne auch noch die gleiche, abgedrehte Show abziehen können wie er. Fast jeder durfte auch mal ein Lied singen und Cordula Welsch spielte nicht nur die Violine und das Rumpelstilzchen, sondern auch das Nummerngirl. „Acapulco ist sexy und tief“, verspricht die Band selber, und wer mag da schon widersprechen. Nur der Name paßt nicht so ganz: „Dadapulco“ wäre ehrlicher!

Willy Taub

„Acapulco“ tritt am 31.5. noch einmal im Jungen Theater auf