"Niemand in der PDS hat die Wahrheit gepachtet"

■ Interview mit der PDS-Landesvorsitzenden Petra Pau über den Konflikt zwischen der Oppositionsrolle der PDS auf Landesebene und Realpolitik in den PDS-regierten Bezirken. "Ich verlange, daß s

taz: Zeigt sich in der Diskussion um den Bürgermeister von Marzahn, Harald Buttler, das Dilemma der PDS zwischen Opposition und Verantwortung?

Petra Pau: Das ist doch kein Widerspruch. Oppositionspolitik, wie ich sie verstehe, ist eine höchst verantwortliche Politik. Wir wollen Widerstand organisieren und alternative Konzepte in die öffentliche Debatte bringen. Natürlich gibt es sehr unterschiedliche Aufgaben und unterschiedliche Spielräume für die stärkste Oppositionspartei auf Landesebene auf der einen und die Bezirksbürgermeister der PDS auf der anderen Seite.

Der Grundkonflikt, wie die PDS mit den Sparauflagen des Senats um geht, ist nicht gelöst.

Dieser Konflikt läßt sich nicht mit einer Versammlung lösen. Wir werden noch viele zugespitzte Situationen erleben.

Die Bezirke, auch die von der PDS regierten, gehen sehr unterschiedlich mit den Sparauflagen des Senats um. Ihr Bürgermeister Uwe Klett sucht in Hellersdorf die Konfrontation. Harald Buttler und auch der PDS-Bügermeister von Lichtenberg, Wolfram Friedersdorff, sind bemüht, die Sparauflagen zu erfüllen und ihre verbliebenen engen Gestaltungsspielräume zu nutzen. Fehlt es der PDS an einer einheitlichen Strategie?

Bei der Umsetzung des Streichdiktats – von Sparen kann man ja überhaupt nicht mehr reden – gibt es tatsächlich in den Bezirken ein unterschiedliches Herangehen. Ausgangspunkt sind die unterschiedlichen Bedingungen in den Bezirken.

Gleichzeitig gibt es aber in der Tat eine sehr widersprüchliche Auslegung von Übereinkünften, die wir auf Landesebene getroffen haben. Für die PDS ist es überlebenswichtig, daß sie sowohl in die Partei hinein als auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern nachvollziehbar erklärt, warum sich Mandatsträger der PDS so oder auch anders entscheiden.

Das ist Konsens in der Partei. Uwe Klett versucht den Konflikt in den öffentlichen Raum zu tragen. Auch Wolfram Friedersdorff hat den Haushalt nicht allein aufgestellt, sondern er hat sich öffentlich mit der Partei und den Betroffenen beraten. Harald Buttler hingegen hat in Marzahn den fertigen Sparbeschluß auf den Tisch gelegt.

Wenn die „PDS-regierten“ Bezirke so unterschiedlich mit ihrem Haushalt umgehen, besteht die Gefahr, daß sie gegeneinander ausgespielt und vorgeführt werden?

Die Gefahr besteht. Deshalb haben wir in unseren Debatten Prioritäten gesetzt und zum Beispiel festgelegt, daß wir nicht auf Kosten bürgernaher Politik und bei der Jugend- und Sozialarbeit sparen wollen. Daran haben sich die meisten „PDS-Bezirke“ auch gehalten. Soweit kann eine einheitliche Strategie erarbeitet und auch durchgesetzt werden. Dazu gehört aber auch die Beachtung der Unterschiede. Der Haushalt von Lichtenberg etwa sieht völlig anders aus als der von Mitte oder Hohenschönhausen.

Widerstand läßt sich in der bezirklichen Verantwortung nur einen begrenzten Zeitraum lang aufrechterhalten. Wird nicht auch Uwe Klett gezwungen sein, die Sparbeschlüsse umzusetzen?

Richtig ist, in den Bezirken muß letztendlich gehandelt werden. Ich möchte aber zunächst eine öffentliche Debatte um den Haushalt. Der Konflikt zwischen der Großen Koalition und den tatsächlichen Interessen der Bezirke muß öffentlich werden, Verantwortlichkeiten müssen benannt werden. Weitere massive Kürzungen sind ja von Frau Fugmann-Heesing bereits angekündigt worden. Ich verlange, daß sich die PDS-dominierten Bezirke in den Konflikt mit dem Senat begeben.

Aber Harald Buttler hat auf die Gefahr hingewiesen, daß die Finanzsenatorin mit einem Sparkommissar kommt und genau im Kultur- und im Sozialbereich dort spart, wo die Tabus der PDS sind. Statt dessen will er die verbliebenen Spielräume selbst gestalten.

Ich gehe davon aus, daß jeder PDS-Bürgermeister seine verbliebenen Spielräume ausnutzt. Aber Harald Buttler hat zunächst anschaulich bewiesen, wie mit seinem Haushalt zum Beispiel die Lehrmittelfreiheit im Bezirk im vorauseilenden Gehorsam abgeschafft wurde. Der Haushalt von Marzahn hat doch überhaupt kein erkennbares soziales, kulturelles Konzept. Dort ist mit dem Rasenmäher gekürzt worden.

Ist die PDS inzwischen nicht eine normale Partei, in der sich die Mitglieder aufregen und radikale Beschlüsse fassen, während diejenigen, die politische Verantwortung tragen, gezwungen sind, ihnen beizubringen, daß vieles nicht machbar ist?

Die PDS ist insofern eine normale Partei, als sie sich in die Landes- und Bezirkspolitik praktisch einmischt. In ihr arbeiten ganz normale Menschen, die immer wieder Konflikte miteinander austragen.

Wir sind aber nicht normal in dem Sinne, wie ich es immer wieder in der SPD erlebe. Dort gibt es immer kämpferische Parteitage, aber Mandatsträger machen oft das Gegenteil.

Macht in der PDS nicht auch jeder, was er will?

Nein, wir sind bemüht, zwischen unseren Beschlüssen und der politischen Wirklichkeit Übereinstimmung herzustellen. Aber natürlich wird der PDS jetzt schmerzhaft deutlich, was Verantwortung in der Opposition bedeutet. Es reicht nicht, pausenlos Konflikte zu benennen, sondern sie müssen auch nachvollziehbar gelöst werden. Interview: Christoph Seils