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Argentiniens Verteidigungsminister angeschlagen

■ Skandal um illegale Waffenlieferungen an Ecuador und Kroatien eskaliert

Buenos Aires (taz) – Ganze zwei Stunden dauerte der Bericht von Verteidigungsminister Oscar Camilión über den illegalen Verkauf argentinischer Waffen an Ecuador und Kroatien. Doch allzu Konkretes hatte er dem Verteidigungsausschuß des Parlaments nicht zu bieten. „Camilión hat nicht die Absicht, irgendwelche Antworten zu geben“, beklagte sich sogar die Senatorin Cristina Fernández de Kirchner, die genauso der peronistischen Partei angehört wie Camilión selbst.

Seit Wochen ist der Verteidigungsminister wegen des Skandals Zielscheibe der Kritik. Waffen aus den argentinischen Staatsbetrieben Fabricaciones Militares (FM) wurden trotz des UN-Embargos nach Kroatien geliefert. Zu Beginn dieses Jahres flog außerdem auf, daß im Februar 1995 Kriegsgerät im Wert von 96 Millionen US-Dollar aus dem Hause FM in Ecuador eintraf. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Ecuador gerade im Krieg mit dem Nachbarland Peru. Für die Regierung in Buenos Aires ist das besonders peinlich, denn immerhin ist Argentinien seit dem 1942 in Rio geschlossenen Friedensvertrag zwischen Ecuador und Peru eine der Garantiemächte für den Frieden zwischen den beiden Andenstaaten.

Und so beteuerte Präsident Carlos Menem, Argentinien habe überhaupt keine Waffen an Ecuador verkauft, und sein Verteidigungsminister Camilión assistiert, die Regierung sei von internationalen Waffenbrokern gelinkt worden. Eine Briefkastenfirma aus Uruguay mit dem Namen Hayton Trade habe die Waffen heimlich in Ecuador abgeladen. Für die Lieferung an Ecuador habe die Firma Venezuela als Empfänger angegeben, die Lieferung an Kroatien sei eigentlich für Panama bestimmt gewesen – bloß daß Panama seit 1990 keine Armee mehr hat.

Mittlerweile ist auch bekanntgeworden, daß der Chef der staatseigenen Fabricaciones Militares, Luis Sarlenga, wußte, wohin die Reise der Waffen tatsächlich ging. Unterlagen der Waffenschmiede selbst lassen darauf schließen, daß auch andere Regierungsmitglieder den wahren Empfänger kannten.

Camilión gab zu, von Luftwaffenchef Juan Paulik gewarnt worden zu sein, daß die Lieferungen nach Ecuador gehen könnten. Allerdings erreichte den Minister diese Warnung erst, als der Krieg zwischen Ecuador und Peru bereits zu Ende war.

Die Oppositionsparteien Frepaso und UCR halten es für unmöglich, daß die Regierung von den Lieferungen nichts gewußt habe. Sie erneuerten ihre Forderung, Camilión solle seinen Hut nehmen. Doch auch aus dem eigenen Lager wird der Ruf nach dem Rücktritt des Verteidigungsministers immer lauter. Daß er noch im Amt ist, verdankt er vor allem der Rückendeckung durch Präsident Menem. Dieser will eine gerichtliche Untersuchung des Vorfalls abwarten. Nüchtern stellte er fest: „Es ist eine schlechte Praxis, bei jeder kleinen Anschuldigung einen Minister zum Rücktritt aufzufordern. Bei einem solchen Kriterium bliebe mir bald kein Minister mehr.“ Ingo Malcher

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