Das Rätsel von Gun Hill

■ Junge Hunde: Spritzige Regie-Ideen für „Gunshot Katas“

Die Bühne der Kampnagel-Halle scheint verlassen. Zwei Klapperschlangen erheben drohend ihren Kopf vom Boden. In einem zerfetzten Ledersessel gibt sich eine junge Frau erschöpft dem Dösen hin. Plötzlich trifft ihr Blick auf eine Schlange: Todesangst. Langsam geht sie auf sie zu, läßt sich von dem rasselnden Geräusch erschrecken, nimmt schließlich das Plastikimitat lachend zwischen die Finger. Was ist hier real?

Im verstaubten Filmstudio von Gun Hill, irgendwo zwischen Nevada und Arizona, ist nichts real. So scheint es zumindest anfänglich, wenn Maria Magnum und Walther Winchester zusammentreffen. Doch ihre Plaudereien über Schießszenen in Filmen enden in einem Mord. Dabei wollten sie doch nur darüber sprechen...

Nicht nur das Libretto, auch das Konzept, das Hans-Jörg Kapp für seine „Gunshot-Katas“ entwickelte, ist überzeugend. Das Entwicklungsdrama zwischen Mann und Frau wird immer wieder auf einem Höhepunkt eingefroren und durch Tanzszenen unterbrochen. Und diese eröffnen neue Aspekte.

Wobine Bosch und Rainer Schnös zeigen, worin der Reiz von Erschießungs-Szenen besteht: Wer verliert zuerst die Nerven? Sie greift nach der Handtasche, den Blick immer an ihren Bedroher geheftet, holt Zigaretten raus, und als sie sich eine anzündet, knallt es. Doch nicht sie fällt vom Stuhl, sondern er. Und so geht es weiter im Text, mit immer wieder komischen Momenten. Gegen Ende betreten die Erschossenen die Bühne.

Und in dieser Welt nach dem Tode entpuppt sich Christian Wiehles Bühnenbild einmal mehr als grandios: Alles ist hier gespiegelt, der Sessel, der Stuhl, der Aschenbecher. Doch dann wird die Handlung immer absurder. Der Tänzer singt Karaoke, Maria spritzt wahllos mit einem Feuerlöscher um sich, Walther reißt ein Tor auf und baumelt im gleißenden Licht eines Scheinwerfers. Schönes Bild, aber die Greenaway-Faszination von Kapp ging hier wohl mit ihm durch. Gabriele Wittmann