Der Verdrängte kehrt als gräßlich weißer Augapfel zurück

Ein Remake hat selbstverständlich erst einmal die Stimmung gegen sich. Wer keine eigenen Ideen hat, greift auf den Fundus zurück. Das Problem ist so alt wie der Tonfilm: In den dreißiger Jahren wurde es noch einfach dadurch gelöst, daß ein anderssprachiger Cast in denselben Kulissen eingesetzt wurde; inzwischen müssen die Feinheiten der kulturellen Codes berücksichtigt werden, die sich nicht mehr in den gleichen Tapeten unterbringen lassen. Wenn es sich – wie es ja die Regel ist – um die amerikanische Neufassung einer französischen Vorlage handelt, ist schnell das alte Gefälle zwischen Neuer und Alter Welt wieder etabliert: Geld gegen Kultur, Kopie gegen Originalität, Handwerk gegen Genie. Jean Renoirs „Boudou – sauvé des eaux“ von 1932 taucht wieder auf als „Down and Out in Beverly Hills“, Molinaros „L'emmerdeur“ als „Buddy, Buddy“ – das klingt ja schon nach teuer und banal. In Indien hingegen, wo die Piraterie amerikanischer Vorlagen wie „Bodyguard“ gang und gäbe ist, gilt das Remake eines Hollywood-Films durch ein Studio aus Bombay als solides Projekt; daß der Stoff schon einmal in Amerika ein Erfolg war, verschafft ihm in Kalkutta eher einen Vorsprung.

Heute sind gleich zwei Remakes zu verzeichnen: Der kanadische Regisseur Jeremiah Checkik („Benny and Joon“) hat sich an eine Neuverfilmung von Clouzots „Les Diaboliques“ gemacht; Mike Nichols („Wolf“) an Molinaros „La Cage aux folles“ (siehe Daumenkino).

Sharon Stone an der Stelle von Simone Signoret, Isabelle Adjani statt Frau Clouzot – kann das gutgehen? Den Ort der Handlung hat Checkik zunächst aus der französischen Provinz in die Appalachen nach Pennsylvania verlegt – wie es heißt, hat Sharon Stone das Knabeninternat gefunden, das nicht weit von ihrem Geburtsort liegt. In „Diabolique“ gehört das Internat der ehemaligen Nonne Mia Baran, die hier von Isabelle Adjani gegeben wird. Ihr Mann Guy (Chazz Palminteri) leitet die Schule. Sein Verhältnis mit der Mathematiklehrerin Nicole (Sharon Stone) ist allen bekannt, auch der Ehefrau; von Anfang an sind – im Original wie im Remake – eher die beiden Frauen ein Paar. Guy war früher ein Ekel und ist heute ein Macho. Sie beschließen, ihn umzubringen.

Das Ganze ist in grau-hellblauen Wasserfarben gehalten, in denen die Kostüme der französischen und italienischen „Vogue“ der 50er und 60er Jahre (ebenfalls größtenteils von Stone ausgesucht) besonders hervortreten. Adjani fällt pittoresk in Ohnmacht; Stone raucht, plant, entscheidet. Es ist ihr Film.

Wasserleichen haben sich in der Filmgeschichte noch nie als besonders verläßlich erwiesen, und so kehrt der Verdrängte in immer neuen Formen zurück: als der Duschvorhang, in den er eingewickelt war; als der Anzug, den er damals trug; als gräßlich weißer Augapfel. Nennt es Horrorfilm, nennt es „Zwei wie Pech und Penisneid“ – teuflisch bleibt es allemal. mn