Dabeisein ist alles

■ Das World Wide Web ist mit kommerzieller Werbung vollgestopft. Nur weiß noch niemand, wer davon profitiert

Was hatten die Experten nicht alles vorhergesagt: Das „alte Fernsehen“ werde vom Internet ausgerottet, es gebe kein „passives Zusehen“, keinen „plumpen Kommerz“ in den neuen Medien mehr. Das war 1993. Heute, auf dem „Münchner Werbegipfel 1996“, da nennen die Werbe-Gurus diese Prognosen den „Super-Highway- Hype“.

Sie hatten sich ja nur zur Hälfte geirrt, die Experten, die sich in München zur Konferenz versammelten. Tatsächlich sind viele Web-Sites mit interaktiven Anzeigen kommerzialisiert. Nur gibt es das Fernsehen immer noch. Und ziemlich unklar ist geblieben, was die Werbung im Internet denn wirklich bringt. Wie viele Menschen nehmen sie wahr? Wann und wie zahlt sich aus, was Kunden für die Plazierung ihrer Anzeigen bezahlt haben?

Die Firma „GfK-Marktforschung“ wird mit einer von ihrem amerikanischen Partner, der „NPD GROUP“, entwickelten Software diese Fragen zu beantworten versuchen. Schon 1997 werde ihr das gelingen – wenn alles klappt. Die Testphase läuft noch. Das Programm „PC Meter“, in den USA bereits in Anwendung, funktioniert ähnlich wie der kleine Kasten, mit dem die GfK den Fernsehkonsum mißt. Es wird aufgezeichnet, wann der Computerbenutzer sich ins Netz wählt, wohin er sich bewegt und wie lange er sich die einzelnen Seiten jeweils anschaut.

Damit soll erkennbar werden, was der unbekannte User tatsächlich auf dem Bildschirm sieht. In Kombination mit den Daten aus dem Server des Werbetreibenden (den Logfiles, in welchen jeder Zugriff mit Internet-Adresse aufgezeichnet wird) sollen „die Akzeptanz“ und „die Effizienz“ der Werbung gemessen werden können – Schlüsselbegriffe in der Sprache dieser Branche.

Nebenbei, sozusagen als Abfallprodukt, haben amerikanische Untersuchungen von NPD auf diesem Gebiet ein Bild des durchschnittlichen Net-Users gezeichnet. Pro Ritt im Netz besucht er ungefähr zwanzig verschiedene Seiten, im Schnitt vier pro angewählten Rechner. Jede Seite sieht er sich vierzig Sekunden an, bevor er weiterzappt. Die beliebteste Web- Site in den USA ist jene von America Online. Danach folgt die Suchmaschine „Webcrawler“, darauf „Netscape“, im Anschluß die Sucher „Yahoo!“ und „Infoseek“. Einzige Kuriosität in den amerikanischen Top-ten: An achter Stelle steht die Universität von Michigan auf der Beliebtheitsskala. Die Analyse der Marktforscher ergab: Hier gibt es eine kostenlose Wettervorhersage.

Die amerikanischen User bleiben, obwohl das Netz grenzenlos ist, am liebsten im eigenen Land. Zwei Drittel der aufgerufenen Seiten sind US-Angebote, das restliche Drittel besteht zum allergrößten Teil aus Sites, die im englischsprachigen Ausland erstellt worden sind. Eine Untersuchung der Anfragen, die an diverse Suchmaschinen gerichtet werden, bestätigt ein Klischee: Die meisten Anfragen (15 Prozent) beziehen sich auf Sex. Es folgen Fragen nach Themen aus dem Unterhaltungssektor (12 Prozent) und der Softwarebranche (11 Prozent).

Ob sich diese Ergebnisse auf Deutschland übertragen lassen, ist noch unklar. Bisher arbeitet die GfK noch an einem Minitest von zehn Teilnehmern in Nürnberg. Die Werbetreibenden selbst sind jedoch skeptisch gegenüber der Methode eingestellt, die von der GfK angewandt werden soll. Christian G. Hirsch, Geschäftsführer der Burda Verlagsservice GmbH, bekommt gleich „doppelt Bauchschmerzen“. Zum einen sei der Einsatz einer repräsentativen Gruppe von Usern („Panel“), aus der auf die gesamte Netzgemeinde geschlossen werden soll, wegen des unvorstellbar großen WWW-Angebotes zwangsläufig ungenügend. Zum anderen seien rund 70 Prozent der Netznutzer Firmenangestellte, die ihre Mittagspause oder Arbeitszeit zum Surfen nutzen. Sie alle würden beim GfK-PC-Meter unter den Tisch fallen. Paulus Neef, Geschäftsführer der Berliner Multimedia-Designer „Pixelpark“, gibt außerdem zu bedenken, daß man ein Panel niemals den rasanten Veränderungen in der Struktur der Gesamtheit der Netzanwender anpassen könne.

Noch fehlt eine allgemeinverbindliche Begriffsdefinition, was der Zugriff auf eine Web-Site bedeutet. Bis die Nutzungsmessung soweit ist, müssen die Firmen ihr Geld weiter ins Blaue investieren. Christian G. Hirsch von Burda: „Wir machen mit Sicherheit noch keinen Gewinn. Aber wir befinden uns in einer Pionierstimmung.“

Die dürfte noch einige Zeit nötig sein. Peter Kabel von „Kabel New Media“, Hamburg, ist einer von denen, die Firmen beim werblichen Gang ins Internet unterstützen. Doch auch er ist vorsichtig: „Wir haben noch nicht die Antworten. Aber wir wissen schon einige Fragen, die wir noch stellen müssen.“ Das sei kennzeichnend für die gesamte Situation auf dem Online-Markt. Keiner weiß Genaues, aber alle wollen dabeisein. Stefan Kuzmany

kuzmany@ifkw.uni-muenchen.de