EU stoppt Mais mit Käferkillergen

Der Gentechnikindustrie ist der Durchmarsch in Brüssel bisher nicht gelungen  ■ Aus Brüssel Christian Rath

Immer mehr gentechnisch veränderte Pflanzen sollen europaweit zugelassen werden. Doch häufig läuft nicht alles so, wie es sich die Gentech-Firmen wünschen. So wird herbizidresistenter Radicchio Rosso vorerst nur für die Züchtung zugelassen, obwohl die holländische Saatgutfirma Bejo Zaden die Salatpflanze auch an EndverbraucherInnen verkaufen wollte. Und der Schweizer Chemiemulti Ciba erlitt mit seinem insektenresistenten Mais sogar eine handfeste Schlappe. Zum ersten Mal fand ein Antrag in der unteren Zulassungsinstanz nicht die erforderliche Mehrheit und muß den Umweg über den EU-Ministerrat nehmen.

Entscheidendes Marketingargument für den Ciba-Mais ist der eingebaute Insektenschutz. Dank Gentechnik sollen die Maispflanzen immun sein gegen die Freßattacken des Maiszünslers – eines Käfers, der weltweit rund 7 Prozent der Ernte zerstört. Ein in die Maispflanze eingeschleustes Gen sorgt dafür, daß diese ein Killereiweiß produziert. Dieses Protein hat nach Ciba-Angaben jedoch keine schädliche Wirkung auf Menschen und Nutztiere. Erst die Spaltprodukte, die im basischen Verdauungstrakt der Zünslerraupe entstehen, sind giftig und führen zum Tod des Insekts.

Das in den Mais eingebaute Gen wurde dem im Boden weit verbreiteten Bakterium „Bazillus thuringiensis“ (Bt) abgeguckt. Bt- Präparate werden schon seit langem in der Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer fürchtet jedoch, daß der Maiszünsler nach Ausbringen des Gen-Maises bald gegen Bt-Präparate resistent sein wird. Mit diesem Einwand hat Ciba gerechnet. Es ist keine leere Worthülse, wenn die Firmenleitung sagt, sie nehme das Bt-Resistenzproblem „sehr ernst“. Schließlich will sie den Gen-Mais, an dem zehn Jahre lang geforscht wurde, möglichst lange verkaufen.

Nicht gerechnet hat Ciba allerdings mit einem anderen Vorwurf, der die Firma jetzt die schnelle Zulassung ihres Gen-Maises kostete. In das Genom des Bt-Maises wurde auch ein Gen für Antibiotikaresistenz eingebaut. Für den Maisanbau hat es keine Bedeutung. Es ist lediglich ein Relikt aus einer Frühphase der Entwicklung, kann jedoch nicht so einfach entfernt werden. Ciba sieht hierfür allerdings auch gar keine Notwendigkeit. „Es geht doch nur um Futtermais für Tiere, nicht um Süßmais, der von Menschen gegessen wird“, erklärt Elke Jarchow, Sprecherin der Ciba-Saatgutentwicklung. Sie hält es für „naturwissenschaftlich völlig ausgeschlossen“, daß sich die Antibiotikaresistenz auf Tiere oder gar auf Menschen übertragen könnte.

Prof. Hans-Jörg Buhk vom Berliner Robert-Koch-Institut glaubt dagegen, daß derartige Übertragungen „in geringem Maße“ durchaus vorkommen können. Als deutscher Vertreter im EU-Freisetzungsausschuß hat er dennoch nicht gegen den Ciba-Antrag gestimmt. Sein Argument: „In der menschlichen Umgebung gibt es bereits so viele Antibiotika-Resistenzen, daß mir das zusätzliche Risiko wie ein Tröpfeln gegenüber einem Wasserfall vorkommt.“ Die bisher nicht als Gentech-Kritiker aufgefallenen Briten stimmten jedoch gegen den Ciba-Antrag. Zusammen mit Gegenstimmen aus Österreich, Dänemark und Schweden stoppten die Briten so den Ciba-Antrag, der so die qualifizierte Mehrheit verfehlte.

Ciba dürfte damit ab sofort ein ernsthaftes Akzeptanzproblem haben. Denn die Resistenz bezieht sich nicht auf irgendwelche Antibiotika, sondern ausgerechnet auf die gebräuchlichen Mittel Ampicillin und Penicillin. Am 25. Juni wird der EU-Ministerrat über das weitere Vorgehen entscheiden. Er kann den Genmais gegen das Votum der EU-Kommission allerdings nur mit qualifizierter Mehrheit stoppen. Ciba ist daher zuversichtlich, am Ende doch die Zulassung zu bekommen.

Auch in andere Pflanzen wurden Antibiotika-Resistenzen eingebaut. Im herbizidresistenten Sommerraps der deutschen Höchst/Schering-Tochter Agrevo findet sich ein Marker-Gen, das die Pflanzen gegen das Antibiotikum Kanamycin unempfindlich macht. Kanamycin wird in einigen Bereichen der Augenheilkunde eingesetzt. Der später entwickelte Agrevo-Winterraps wurde bereits anders konstruiert. „Moderne Gentech-Pflanzen weisen keine Antibiotika-Resistenz mehr auf“, erklärt Klaus Trinks, der bei Agrevo für die Markteinführung der Produkte zuständig ist.

Scheinbar unkomplizierter ging die Zulassung des von Bejo Zaden manipulierten Radicchio Rosso vonstatten. Im Freisetzungsausschuß stimmte nur Dänemark gegen die Zulassung der Hybrid- Pflanze, so daß die Kommission diese Woche die Zulassung erklären konnte. Im Supermarkt wird man der Pflanze allerdings nicht begegnen; die Genehmigung ist auf Zuchtzwecke begrenzt.

Bejo Zaden dürfte sich nun ziemlich ärgern, denn die niederländische Firma hat sich verspekuliert. Sie war davon ausgegangen, daß es bis zur Einführung der Novel-food-Richtlinie keiner europäischen Lebensmittelzulassung bedarf und hatte entsprechende Unterlagen erst gar nicht vorgelegt. Die EU-Kommission wollte aber eine Rechtslücke vermeiden und wendet nun einfach die Freisetzungsrichtlinie von 1989 an.

Ähnliches Pech hatte die belgische Firma Plant Genetic Systems (PGS). Sie hatte für ihren Gen- Raps nur eine Genehmigung zu Zuchtzwecken beantragt und Anfang des Jahres erhalten. Inzwischen hat sie zwei weitere Anträge nachgereicht, um den Raps auch vermarkten zu können.