Nelson Mandela – der ist „echt cool“

Das Ende eines Staatsbesuchs: Rund 500 Menschen drängten sich gestern am Brandenburger Tor, um den „großen Staatsmann“ zu sehen, „der im Knast war und die Apartheid abgeschafft hat“  ■ Aus Berlin Constanze v. Bullion

Ein „Supermann“ eben. Oliver Chitsembe kippelt ungeduldig am rot-weißen Absperrgitter. Der Supermann, den der 32jährige Mosambiquaner „einmal in echt sehen“ will, läßt auf sich warten. Rund 500 Schaulustige drängelten sich gestern rund ums Brandenburger Tor. Nelson Mandela, der durch Deutschland tourende Präsident Südafrikas, besuchte mit Tochter Zinzi die Hauptstadt.

Wirtschaftskontakte und Investitionen in Südafrika will der Friedensnobelpreisträger anleiern. Daimler-Chef Jürgen Schrempp meldete Gespräche über den Zukunftsmarkt am Kap an, Wirtschaftsminister Rexrodt eröffnete gar eine Initiativwoche „Südliches Afrika“. Die Berliner sehen's mit gemischten Gefühlen.

Horst Schäfer, der mit seiner alten Pferdekutsche jeden Tag Touristen die Linden rauf- und runterkarrt, weiß wohl, daß „det 'n großer Staatsmann ist, der im Knast war und die Apartheid abgeschafft hat“. Ganz verkneifen will er sich die Bemerkung nicht, daß „die doch alle hier mit'm leeren Rucksack ankommen, um Geld abzuwackeln“. Die Schülerin Inga Rudolf bewundert Mandela, „weil er ganz alleine war und sich nicht hat erniedrigen lassen“. Ihre Freundin Gertrud findet ihn „echt cool“ und sogar Polizeioberkommissar Harry Berges meint: „Freiheitskämpfer oder Terrorist, das ist nur eine Frage des Blickwinkels.“

„So klein?“ rutscht es Oliver Chitsembe dann raus, als sein Supermann endlich zwischen den Säulen des Brandenburger Tors auftaucht. Ein Irrtum, wie sich herausstellt, Mandela ist der daneben mit dem grauen Hemd. Klein ist er gar nicht, der Mann mit dem breiten Lachen, der seine Bodyguards und das väterlich-verklemmte Sorgengesicht von Eberhard Diepgen einfach stehenläßt und auf die winkenden Zaungäste zuschlendert. Tochter Zinzi ist da schüchterner, die attraktive junge Frau mit der Zöpfchenfrisur.

Die Krönung des Auftritts aber ist erst der Moment, als der sechsjährige Curt Peters, dessen Mutter vor einem halben Jahr aus Kapstadt nach Berlin kam, so laut „Mandela, Mandela, Mandela“ brüllt, daß sein Idol auf ihn zusteuert, zwinkert und „How are you“ sagt. Und Curt vor Schreck fast von der Absperrung purzelt.

Doch da ist der Troß schon weiter, verfrachtet den hohen Herrn in die beflaggte Limousine, vierzehn Motorräder brettern los zum Roten Rathaus. Wieder Winken, Jubel, dann der Eintrag ins Goldene Buch. Und schließlich der Moment, wo dem Regierenden Bürgermeister für den Bruchteil einer Sekunde das Lächeln auf dem Gesicht gefriert: Mandela dankt für Solidarität und Gelder der Boykottkampagne, „für das Öffnen eurer Herzen für unsere Jugend im Exil während der schwierigen Jahre“. Gemeint ist nicht nur die Anti-Apartheid-Bewegung der Bundesrepublik, sondern vor allem die Südafrikapolitik der DDR. Denn während die Bundesregierung die weiße Rassisten-Regierung am Kap hofierte, unterstützte die DDR den ANC mit Geldern, bildete seine Mitglieder aus und ließ farbige Südafrikaner an ihren Universitäten studieren.

Alte und neue Freunde des südafrikanischen Präsidenten trafen sich am Abend zur Eröffnung der Ausstellung „Colours – Zeitgenössische Kunst aus Südafrika“. Mit einem Fest ging Mandelas Deutschlandbesuch zu Ende.