Kein Sonderurlaub für Scientology

■ Sektenberatung in der Behörde soll feste Einrichtung werden

Seine Dienstnummer kennen nur wenige. Bernhard Brünjes bearbeitet beim Finanzsenator den Bereich Geld, Kredit und Vermögen. Dreißig Tage im Jahr geht Brünjes jedoch in bezahlten Sonderurlaub, dann hält er Vorträge als Sektenspezialist. Nicht etwa inkognito, sondern im Auftrag der Behörde. „In der Tat ein seltsames Modell“, sagt Bernhard Brünjes selbst dazu. Er fordert schon lange einen „richtigen“ Sektenberater für Bremen. Noch vor der Sommerpause will Sozialsenatorin Tine Wischer den Senat mit eben demselben Vorschlag und dem dazugehörigen Konzeptpapier begrüßen.

Ratsuchende Eltern wollen wissen, wie sie ihren 30jährigen Sohn von den Zeugen Jehovas wegholen können. Ein Psychotherapeut weigert sich, einen „eindeutig esoterisch angehauchten Pflichtkurs“ zu belegen und will aus seinem Ausbildungsvertrag raus. In solchen Fragen berät Bernhard Brünjes bislang nur nach 17 Uhr. Dann nämlich ist er im Feierabend und ausschließlich Vorsitzender der Bremer Sektenberatung e.V., einer Selbsthilfegruppe mit 60 Mitgliedern, die sich inzwischen international vernetzt hat.

Tagsüber gibt es in Bremen Sekten-Rat nur bei den Beauftragten der Kirchen. Bei der Behörde sind zwar Soziales und Inneres zuständig, jedoch ohne feste/n Ansprechpartner/in. Brünjes bekam vor zwei Jahren den Sonderurlaub bewilligt, seine Stellung in der Behörde hat jedoch eher Alibi-Funktion. Zwar wurde er kürzlich als Sachverständiger im Verfahren Scientology gegen die Hansestadt angefragt (die Sekte soll ein Gewerbe anmelden). Wenn Brünjes sich jedoch intern in Einzelfragen informieren möchte, „dann geht vor allem beim Innenressort die Auskunft gegen Null.“

Hamburgs Innenbehörde ist da besser organisiert. Man hat jedoch dort einen Schwerpunkt gesetzt: Die „Arbeitsgruppe Scientology“, ein Vier-Personen-Team, das bundesweit als ExpertInnengruppe geschätzt wird, nimmt sämtliche Anfragen entgegen. Je nach deren Ausrichtung – Arbeitsrechtliches, Fragen zum Sorge- und Erbrecht – werden dann die Ressorts konsultiert.

Brünjes machte also bei den Bremer Parteien mobil und fand vor allem Unterstützung bei der Jungen Union. Diese – allen voran der Landesvorsitzende Jens Eckhoff – bringen das Thema immer mal wieder ins Gespräch. Doch auch die Bremer SPD ist jetzt auf den Zug aufgesprungen, entschied sich jedoch für die kleinere Lösung und forderte in einer Senatsanfrage einen „Sektenberater“ auf einer mindestens halben Stelle. Das Sozialressort sollte daraufhin ein Konzeptpapier erarbeiten.

„Es ist fertig“, meldete gestern Heidemarie Rose, Leiterin der Landesjugendbehörde, auf Anfrage. Bernhard Brünjes soll eine erweiterte Freistellung bekommen. Daneben ist an die Besetzung einer Clearingstelle gedacht, die als Anlauf- und Vermittlungsstelle fungieren soll. „Das geht natürlich nur über Umschichtung, und diese muß noch geklärt werden“, so Rose.

Dann wird Brünjes wohl doch nicht „Beauftragter“ werden, sondern Berater bleiben. Das ist ihm ganz recht, er möchte seinen Arbeitsbereich gern „Informations-, Beratungs- und Dokumentationsstelle zu Problematiken mit Sekten, destruktiven Kulten und ähnlichen Organisationen“ nennen. Ein schrecklicher Name, aber es sei eben Akribie angesagt: „Wir haben hinter der sog. Holosophischen Gesellschaft den Guru Thakarsingh aufgedeckt, der Kleinkindern die Ohren versiegeln läßt, damit sie besser meditieren können.“ sip