Wand und Boden
: Aktion der deutsch-amerikanischen Freundschaft

■ Kunst in Berlin jetzt: Fiona Rae, Sharon Lockhart, John Powers, Astrid Klüver

Daß man mit Künstlern schwer ins Gespräch kommt, ist auch unter Künstlern ein Problem. Der Hamburger Maler Daniel Richter hat sich mit der Londoner Malerin Fiona Rae für den Katalog ihrer Ausstellung unterhalten. Am Ende gibt er klein bei: „Übrigens war nicht das geringste von dem, was ich gesagt habe, als Beleidigung gemeint.“ Und Rae antwortet ungerührt: „Hab' ich auch nicht so verstanden.“ Ansonsten stimmt das Umfeld.

Die 1963 in Hongkong geborene Rae war 1988 an Damien Hirsts „Freeze“-Show beteiligt und gilt entsprechend als young British artist mit ebensolcher Biographie: Venedig, New York, Salzburg, Tate Gallery. Die Galerie Contemporary Fine Arts zeigt fünf hochformatige Bilder, bei denen der Widerstreit von geordneten Flächen, Streifen und expressivem Gemenge dominiert. Mal spitzt sich das in Spachtelmassen nach Art Francis Bacons zu, dann wieder verlieren sich die Spuren über das Feld verteilt. Überall läßt sich anknüpfen, zarte Farbkombinationen erinnern an japanische Tuschemalerei, an anderer Stelle spielt Rae mit Ikonen der Pop-art, wenn sie ineinandergefügte Jasper-Johns-Kreise wie Schallplatten zitiert. Mit Regeln ist dieser wohlüberlegten Mixtur schwer beizukommen, vielleicht sind die Bilder im Wissen um Stil und Bruch zu berechnend.

Bis 29. 6., Di.–Fr. 12–18, Sa. 11–15 Uhr, Tauroggener Str. 15

Ähnliches gilt für die Fotografien von Sharon Lockhart. Mit medizinischer Präzision trifft sie den Augenblick, da Menschen zu Statuen werden. Eine Frau in Unterhemd und beiger Hose steht gerade wie ein Stock im Zimmer, den Kopf abgewendet. Sie allein weiß, was als nächstes passiert – und daß dies so ist, weiß Lockhart. Wie immer man den Zustand interpretiert, das Foto liefert keine weiteren Anhaltspunkte, es zeigt „ein gewisses Zögern“, wie die Kalifornierin ihre Arbeiten beschreibt. Dieser Moment will gut gewählt sein, und so stehen auch die anderen Portraits auf der Klippe zum Unheimlichen.

Ein Mädchen liegt über einem Glastisch hingesunken, nur der Oberkörper ist sichtbar. Gleichzeitig scheint eine merkwürdige Kraft die Person nach links aus dem Bild zu zerren. Es poltergeistert. Trotzdem verrät das Foto nichts vom Horror – die Kleine scheint nur zu schlafen. Zur Dialektik des Übergangs passen auch zwei stille Naturaufnahmen, eine verschneite Wiese im Blizzard und eine baumreihengesäumte Landstraße irgendwo in Deutschland. Daß die Fotos einen starken Drang zur Isolation und Nüchternheit der Neuen Sachlichkeit haben, besagt für Lockhart wenig: „Mich interessiert Subjektivität eben nicht.“

Bis 29.6., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Neugerriemschneider, Goethe- straße 69

Der US-Künstler John Powers hat eine vergoldete Statue of Liberty auf den Checkpoint Charlie gestellt. Zur linken baut Philip Johnson, rechts davon steht das alte Logo „Neue Zeit“ an eine Brandmauer geschrieben. Das Motiv macht sich exzellent als Berlin-Impression für Boulevardblätter und Touristen. Schon ist Powers am Ziel: Seine „Checkpoint Liberty Berlin“ ist die Westentaschenausgabe des letztjährigen Events am Reichstag. Ein gefälliges Stück Kunst im öffentlichen Raum, das mit Politik ein bißchen Vergnügen meint. Warum sollte der Berliner seinen Bierpilz nicht auch vor Powers Wahrzeichen stellen?

Der Katalog zur parallelen Ausstellung „Berlin Events Transformations 1987–1996“ in der Zimmermannstraße 86/87 legt das nahe: ein Grußwort von Peter Radunski an den Aktionskünstler John Powers, der die Entwicklung Berlins „kritisch-humorvoll begleitet“; ein Lob des Investors der American Business Center GmbH; und eine Einführung in Kunst und Gesellschaft von Michael S. Cullen, der das Ehepaar Christo betreut hat. Namen, bei denen sich die meisten KünstlerInnen ganz klein machen würden, um nichts vom Kontext abzukriegen. Aber wem's Spaß macht – die Proportionen stimmen, und es ist auch nicht die erste Aktion des 1959 geborenen Kaliforniers zur deutsch-amerikanischen Freundschaft. Am 19. Januar 1990 wollte er ein rotbemaltes Papp-Ei über die Grenze rollen, was die damals noch existierenden antifaschistischen Schutzwallschützer verhindern konnten. Später kamen Happenings zur Treuhand, vor deren Gebäude Powers 1992 symbolischen FNL-Kuchen verteilte. Dann wurde der Reichstagsrasen als Golfplatz eingeweiht, das Grundstück der künftigen US- Botschaft am Brandenburger Tor in Stars & Stripes gehüllt, und jetzt steht eben eine Freiheitsstatue als Verbesserungsvorschlag am Checkpoint Charlie.

Bis Ende Juli

Einer der ersten glücklichen Momente für Monica Seles war der Sieg bei den Australian Open im Frühjahr. So jedenfalls soll die Tennisspielerin auf dem Foto ausgesehen haben, das Astrid Klüver als Vorlage für ihr Ölbild genommen hat. Aber Malerei kann sehr gehässig sein: Jetzt zerfällt Seles aus der Nähe förmlich in gelbe und braune Partikel, während man von weitem nur hochtransparente Freude sieht.

Auch die danebenhängende Floristin Heike aus Neukölln strahlt recht realsozialistisch in ihrem Primelbeet, das sich an an den Rändern vermischt wie die Seerosen von Monet. Das Bild stammt aus einem der vielen Lokalanzeiger, die per Wurfsendung die Postkästen zumüllen. Das wiederum ist ein wesentlicher Aspekt der Arbeiten von Klüver: Wie holt man Bilder zurück aus der leer zirkulierenden Infomasse?

Das ist neben Fragen der geschickten Darstellung auch eine Sache von Lesbarkeit. Jeder kann Bücher wie Zeitungen schnell genug lesen, um zu filtern, zu bündeln und zu vergessen. Davon handeln Comic-Reproduktionen, die Klüver weiß auf weiß gemalt hat. Jetzt ist selbst der in den Heftchen auf Umrisse reduzierte Prinz Eisenherz bis auf ein paar strukturgebende Farberhebungen kaum mehr sichtbar. Tatsächlich muß man sich mit den Augen zum Gegenstand vortasten. Auf diese Weise tauchen die von der Pop- art gleichgültig markierten Heldenfiguren als reanimierte Ikonen aus dem Nebel auf. Daß auch einige Ungeheuer dabei sind, gehört zur Geschichte der Malerei.

Hauptsache Gesund, bis 22. 6., Do./Fr. 16–19; Sa. 12–15 Uhr, Burgstr. 22 Harald Fricke