■ Hinterbank
: Gnadenlose Post

Manchmal kommt die Post nicht an. Als der Fahrer von Justizstaatssekretär Detlev Borrmann (SPD) Gefangenenakten im Haus Liebigstraße 16 in Friedrichshain abgeben wollte, fand er die Klingel mit dem Namen Andreas Fichtner nicht. Fichtner – in Hausbesetzerkreisen liebevoll Pinus genannt – ist von der PDS für den Gnadenausschuß benannt worden und wohnt in einem ehemals besetzten Haus. Borrmann ließ die Akten daraufhin bei der PDS- Fraktion im Abgeordnetenhaus abgeben.

Der PDS-Abgeordnete Freke Over weiß aber, daß dieser Umweg nicht die einzige Reaktion gewesen sein soll. Ein Ausschußmitarbeiter habe Pinus wegen dessen dubioser Adresse gebeten, sein Amt im Gnadenausschuß niederzulegen – weil vertrauliche Unterlagen in besetzten Häusern nichts zu suchen hätten. Doch das Vorderhaus in der Liebigstraße 16 ist gar nicht besetzt, und Fichtner ist unter der dortigen Adresse ganz korrekt polizeilich gemeldet. Over – immerhin vor kurzem aus einem besetzten Haus geräumt – fühlt sich nun in seinem Verdacht bestätigt: „Die haben Schwierigkeiten mit Besetzern“, wobei er mit „die“ die SPD-Seite einschließt: Der Fahrer habe die Klingel von Fichtner vielleicht gar nicht richtig finden wollen.

Des Problems mit der Zustellung und der Klingel in der Liebigstraße 16 hat sich nun auch Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) angenommen. Sie sitzt dem Gnadenausschuß vor und will schließlich, daß alle Mitglieder zu den monatlichen Sitzungen rechtzeitig informiert sind. Mit Fichtner sei die Postzustellung inzwischen geklärt.

Doch Probleme will sie nicht für alle Zukunft ausschließen. Sollte einmal jemand in den Ausschuß entsandt werden, der in einem Zelt wohnt, meinte sie, würde sie die vertraulichen Unterlagen nicht mehr zustellen lassen. Dirk Wildt