Plädoyer auf Mitschuld

Auch im Knast keine Einsicht: Im neuen „Playboy“ meldet sich der TV-Fälscher Michael Born zu Wort – „Ich war ein Werkzeug der Macher“  ■ Von Oliver Gehrs

Da war doch mal was? Ach ja – Michael Born, der Fälscher spektakulärer Reportagen für investigative Fernsehmagazine. Fast alle hat er geleimt und „sternTV“ besonders. Nur kurz wurde hinterfragt, welche Mitschuld denn schlampige Redakteure haben, nur erwogen wurde die Schlachtung heiliger Moderatoren-Kühe wie Günther Jauch, der gleich elf manipulierte Reportagen präsentierte. „Wir sind Opfer, nicht Täter“, riefen die Abnehmer sofort, denn vielen dünkte, daß die Diskussion schnell auch andere gängige, gleichwohl kaum weniger fragwürdige Recherchemethoden in Frage stellen könnte: Das Verstümmeln von Zitaten, das Bezahlen markiger Posen oder die extrem selektive Auswahl der Kameraperspektive. Noch ehe die Debatte von der Oberfläche ins System geriet, verschwand die Selbstkritik aus den Medien – und Born in der JVA Koblenz.

Von dort hat er sich nun gemeldet. Vielleicht aus Eitelkeit, vielleicht aber auch aus dem Bedürfnis heraus, das Fernsehen doch noch und längst überfällig als Wahrheitsinstanz zu entzaubern. Zwischen nackten Mädchen packt Born jetzt aus: In der neuesten Ausgabe des Playboy soll die Wahrheit auf den Tisch. Soweit er sie noch zu erkennen vermag.

„Als Werkzeug der Macher bin ich mitschuldig am Niedergang des TV-Journalismus“, beginnt Borns Beichte. Man habe seine aufrüttelnden Reportagen über Angola und Eritrea verlacht und ihn so in die Ecke gedrängt, in der er fortan eine neue, telegene Welt erschuf. Quasi aus Selbsterhaltungstrieb, und um für Kinder und Frau zu sorgen.

Es fällt schwer, an Borns aufrichtige Reue zu glauben. Zu groß ist das Aber, das dem Mea culpa folgt. Zu anbiedernd ist der abermalige Versuch, sich als ohnmächtiger Handlanger zu gerieren: „Je härter und grausamer die Aufnahmen, desto größer das Interesse in deutschen Redaktionen“, klagt Born. Rechtfertigt das schon die flinke Mutation vom idealistischen Journalisten zum Medien-Rambo, der Waffen und Täter als Requisite gleich mit sich führt? Fast naiv schildert Born, wie er willfährig Bilder von Leichen und Sterbenden machte, auch wenn er noch manchmal weinen mußte bei all dem Elend.

Wer Borns Erinnerungen im Playboy liest, kann sich des Verdachts nicht erwehren, daß er seine Entwicklung zum Bilderfälscher fast vorsätzlich ignorierte. Die Beispiele, die er für sein früheres Jesus-Leben anführt, lassen seine Mitschuld noch größer erscheinen: „Ich baute meine Kamera am Bett des vierjährigen Amir auf und ließ sie laufen, bis er röchelte und starb.“ Und über seine gefälschten Bilder vom deutschen Ku-Klux- Klan: „,Wo ist der Mummenschanz‘, fragte der Redakteur, dessen kategorisches Fazit lautete: ,Ohne Kapuzen kein Film‘. Man kann so eine Äußerung auch als Aufforderung sehen, sich die Kapuzen zu besorgen.“ Man kann.

Mit seiner Beichte, die eher larmoyantes Geständnis ist, erweist sich Born einen Bärendienst. Um einer Verurteilung wegen Verstößen gegen das Waffenschutzgesetz und Volksverhetzung zu entgehen, hätte er sich besser auf die erneuten Anwürfe gegen „sternTV“ beschränkt. Denn die wiegen – vorausgesetzt, sie sind wahr – schwer genug, verfestigen das Bild von zustimmender Mitwisserschaft in den Redaktionen: So sollte Born 1994 die Eltern des kroatischen Soldaten Marinko aufsuchen, dessen blutgetränkte Uniform auf Benetton-Plakaten prangte. Der Auftrag: Ein Rührstück, um die Modefirma „anzupissen“. Daß Marinko als Heckenschütze auf Frauen und Kinder geschossen hatte, blieb bei „sternTV“ unerwähnt. „Das paßt besser ins Bild“, zitiert Born einen Redakteur. Da kaum anzunehmen ist, daß sich die Methoden mittlerweile geändert haben, ist Borns Ruf aus dem Knast Monate nach der Affäre um so wichtiger.

Michael Born und „sternTV“ – das muß wohl eine Haßliebe gewesen sein: Den Redakteuren, die seine Filme mit Begeisterung ausstrahlten, „hätte er am liebsten die Fresse poliert“. Warum er es nicht tat, sagt er nicht. Für ihn hörte der Dienst nach Vorschrift erst auf, als er selbst zum Kanonenfutter für die Quote werden sollte: im Schützengraben vor Sarajevo. Das war das erste Mal, daß er einen Auftrag ablehnte.

Born hat das Problem auch in der JVA nicht verstanden. Aber er kann dazu beitragen, daß vielleicht andere es tun. Seine selbstgerechte Offenbarung könnte die Diskussion um eine inszenierte Medienwelt neu entfachen. Eine Art Nachbereitung initiieren, die den allzu fest gewordenen Glauben an die Integrität der TV-Magazine nachhaltiger erschüttert.