Fahndung nach zweitem Reemtsma-Entführer

■ Hamburger Staatsanwaltschaft beantragt Auslieferung von mutmaßlichem Entführer Wolfgang Koszics nach Hamburg. Gibt es dritten Kidnapper?

Hamburg (dpa/AP/taz) – Nach der Festnahme des mutmaßlichen Reemtsma-Entführers Wolfgang Koszics in Südspanien hat die Hamburger Staatsanwaltschaft einen Auslieferungsantrag gestellt, der spätestens heute dem spanischen Justizministerium vorliegen soll. „Wenn alles normal läuft“, so der Hamburger Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger, könnte Koszics, der bereits früher in Spanien in Haft gesessen hatte, noch in dieser Woche nach Deutschland ausgeliefert werden.

In Deutschland ist der Verhaftete wegen verschiedener Gewaltdelikte mehrfach vorbestraft. So hatte er 1979 in Düsseldorf einen Geldtransport überfallen und 375.000 Mark erbeutet. Voraussetzung für eine Blitzüberstellung Koszics nach Hamburg ist ein umfassendes Geständnis des Verdächtigten und seine Bereitschaft, sich ausliefern zu lassen. Andernfalls müßte der Nationale Gerichtshof in Madrid die Vorwürfe der deutschen Ermittler prüfen.

Verhören werden die Fahnder der Hansestadt Koszics voraussichtlich allerdings schon in Spanien. Ein spanischer Behördensprecher bestätigte gestern, daß sechs Beamte der Hamburger Sonderkommission 962 bereits im Morales-Meseguer-Krankenhaus von Murcia eingetroffen sind, wo Koszics untergebracht wurde, nachdem er sich während der Festnahme am Sonntag die Pulsadern geöffnet hatte. Im Krankenhaus vernahm ihn gestern bereits die spanische Polizei. Am Montag abend war Koszics operiert worden, weil er sich bei dem Selbstmordversuch auch mehrere Sehnen durchtrennt hatte.

Die Fahnder erhoffen sich von den Verhören vor allem Aufschlüsse über den momentanen Aufenthaltsort von Peter Ernst Adolf Richter, dem zweiten bislang bekannten mutmaßlichen Reemtsma-Entführer. Die Hamburger Polizei vermutet, daß sich der Komplize Koszics ebenfalls in Südspanien aufhält. Obwohl ständig Hinweise auf Richter bei der Hamburger Soko eingehen würden, gäbe es noch keine heiße Spur, erklärte der Hamburger Polizeisprecher Hartmut Kapp.

Darüber, ob sie Erkenntnisse über die Identität weiterer Kidnapper des Hamburger Millionenerben habe, machte Kapp keine Angaben. Mehrere Bewohner des Dorfes Garlstedt bei Bremen, wo der Hamburger Millionenerbe 33 Tage lang von seinen Entführern in einem abgedunkelten Kellerverlies gefangengehalten worden war, berichteten hingegen einer Hamburger Tageszeitung, sie hätten während der Entführung einen 30 bis 40 Jahre alten, etwa 1,80 Meter großen dunkelhaarigen Mann in der Nähe des Verstecks gesehen. Marco Carini