Kauen mit den Affenfürsten

■ Die Roller-Schock-Performer Butthole Surfers mit grimmigem Lachen

„Niemand ist mehr ein klarer Charakter“, gab Gibby Haynes, Sänger der Butthole Surfers, neulich in einem Interview Stoff. „Das ist ein Zeichen der Zeit. Ich erzähle auch keine Geschichten mehr. Stattdessen versuche ich, alles immer mehr zu konzentrieren. Wir schreiben Geschichte, das ist alles.“ Das paßt zu Haynes'Auftreten als hektische Batterie. Die Butthole Surfers darf man sich dazu passend als eine Art Strom ohne Linienform vorstellen. Mit fließenden Übergängen zwischen hippiesken Sperenzien und Hard Rock.

Ihre Mischung aus Mississippi, E-Werk und ozeanischer Rock-Brandung kam vor Jahren schon einmal auf das Hamburger Publikum zu. Inmitten eines nervenreißenden Konzert-Chaos mit dem Titel Kings of Independance kontrollierte Haynes vor seinem Auftritt Stativ-Einstellungen und Monitor-Positionen auf der Bühne der Knopf–s Music Hall. Vor dem Eingang baute sich währenddessen alle Viertelstunde eine weitere Einheit der Polizei auf. Radiosender hatten noch vor Konzertbeginn die Mißachtung der Sicherheitsvorschriften durch übermäßigen Kartenverkauf bekanntgegeben. Die Gitter am Eingang wurden halb heruntergelassen, was kuriose soziale Dynamiken am Einlaß in Gang setzte.

Zur darauf folgenden Performance der Butthole Surfers gehörten einige Filme über die grauengarantierende Arbeit des Los Angeles Police Department. Insgesamt eine Veranstaltung mit Folgen: Die zuständige Konzertagentur Recordvox ging Pleite und die Knopf's Music Hall erhielt den Namen Docks. Unter dem allumfassenden Eindruck der Veranstaltung beschloß der Recordvox-Mitarbeiter Tobias Gruben, seine nächste Band Die Erde zu nennen. Das war 1987, das Jahr, in dem Rap und Metal „brachen“, wie es Sonic Youth sagen würden.

Danach wurden die Butthole Surfers selbstsicherer und hielten ihren Status als Berufsverrückte durch. Vielleicht haben sie darüber gar nicht mitgekriegt, daß nach ein paar Jahren als Roller-Schock-Performer ihr Witz sich leider gar nicht mehr vor der Pointe fürchtet. Seit Hairway To Steven kaschiert lauter werdendes Lachen bei der Gruppe den Regreß.

Auf dem neuen Album Electric Larryland gebärden sich die Butthole Surfers immer noch wie große Kinder, die Musik machen, indem sie die USA essen oder zumindest in den Mund nehmen und das Angekaute freudig herzeigen. „The lord is a monkey“, sagt eine Band, die aus dem Verrücktwerden vielleicht gar nicht mehr herauskommen möchte. Das zu glauben, fällt leicht. Fast so leicht, wie die entsprechende Annahme, daß die amerikanischen Neurotiker ihren Frieden mit sich gemacht haben.

Kristof Schreuf Sa, 1. Juni, 21 Uhr, Markthalle