Es kann nur einen geben ...

■ ... der die Wahrheit sagt: Polizeiaussteiger oder Ex-Landespolizeichef Von Silke Mertins

„Hier stinkt es wie bei Asylanten, Asozialen und Pennern“; die „Polackensau“ der Papst; AidsKranke gehören an die Wand gestellt – über Nazi-Sprüche dieser Art auf der Revierwache 11 und beim berüchtigten Einsatzzug Mitte habe der junge Polizeibeamte Andreas S. dem damaligen Polizeichef Heinz Karpen ausführlich berichtet. Auch darüber, daß ein Ex-Kollege „kniehoch“ Landser-Hefte in seinem Spind hortete und im Dienst bei Gelegenheit ein altes Wehrmachtskoppel trug. Ein anderer rechtslastiger Polizist, Gruppenführer Wolfgang Spaude vom Einsatzzug Mitte, kürzte auf der „Snack“-Tafel seinen Namen mit „SSpau“ ab. In Zackenlinien – wie die Runen der Waffen-SS. Und wedelte mit Briefwahlunterlagen herum, Kreuzchen bei der NDP. „Damit ihr wißt, was ihr zu wählen habt.“ Später, sagte Andreas S. am Mittwoch abend vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) Polizei aus, wurde Spaude als Zivilfahnder in St. Georgs Drogenmilieu eingesetzt. „Da konnte er sich austoben.“

Noch einmal schilderte der heute 33jährige, warum er Polizist wurde und warum er den Dienst quittierte. 1990 hatte er das teilweise haarsträubende Innenleben der Hamburger Polizei in einer 30teiligen taz-Serie beschrieben. Was passiert, wenn ein Polizist zum Chef der Polizeidirektion (PD) Mitte geht und auspackt? Das war die Frage, für die sich der Untersuchungsausschuß, der strukturelle Mängel herausarbeiten soll, am Mittwoch besonders interessierte. Hat der damalige Chef der PD Mitte, Heinz Krappen, der später Landespolizeidirektor und vor einem Jahr als Folge des Polizeiskandals frühzeitig pensioniert wurde, einfach geschwiegen und unter den Teppich gekehrt?

Krappen habe ihn zu sich bestellt, erzählt Andreas S., und verlangt, daß er seine Vorwürfe samt Roß und Reiter nennt. Das habe er getan. Krappen habe sich Notizen gemacht. Erst beim Rausgehen hätte er dem jungen Polizisten eröffnet, daß ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet würde. Wegen kritischer Äußerungen hatten Andreas S.s Kollegen eine „Einsatzverweigerung“ konstruiert.

Konfrontiert mit den Vorwürfen bestritt Krappen am Mittwoch vor dem PUA, von rechtsradikalen Tendenzen erfahren zu haben. „Wenn es so gewesen wäre, wäre das von mir sicherlich weiterverfolgt worden.“ Doch lediglich die Wahlunterlagen waren ihm „erinnerlich“. Nach einer rechtlichen Prüfung sei aber nichts dran gewesen. Andreas S. sei außerdem von sich aus zu ihm gekommen, „das weiß ich ganz genau!“, wurde Krappen ungehalten. Der junge Kollege sei nicht damit zurechtgekommen, daß auch Repression zur Polizeiarbeit gehört.

„Du kannst von unten nichts verändern“, resümierte Andreas S. zehn Jahre Polizeiarbeit. Zwar hätte es auf anderen Revieren erheblich weniger Probleme gegeben. Doch „in jeder Wache sind zwei bis drei Leute, die bei der Polizei eigentlich nichts zu suchen haben“. Und die würden vom Rest geduldet. „Dulden ist für mich wie mitmachen.“