Adler, Schlüssel, Hakenkreuz

■ Ab morgen in der Unteren Rathaushalle: „Der Schlüssel und der Adler“, eine kompakte Ausstellung zu Bremens Weg in die Unabhängigkeit

Der Weg ist das Ziel, auch beim Linzer Diplom. Denn die Rechte, die sich durch die „Reichsunmittelbarkeit“ Bremens 1646 für die Stadt ergaben, waren in jahrhundertelangen Anstrengungen erkämpft. Deshalb ist es kein Zufall, daß das Faksimile der von Kaiser Ferdinand III. ausgefertigten Urkunde in der Ausstellung „Der Schlüssel und der Adler – eine Geschichte der Selbständigkeit Bremens“ zwar den Mittelpunkt der Schau bildet, aber bloß als Diaprojektion erscheint.

Das Original ist weg

Das Linzer Diplom – das Original ist verlorengegangen – wird in der morgen eröffneten Ausstellung in der Unteren Rathaushalle ganz unehrwürdig auf eine weiße Tür projiziert, den Fluchtweg. „Keine Werbeschau für die Selbständigkeit Bremens sollte es werden“, sagt Hans Hermann Meyer, Historiker im Focke-Museum und Projektleiter der Ausstellung.

Verfassungsgeschichte museal aufbereitet

Aber nachdenklich machen solle die Schau schon, ergänzt Focke-Museumsleiter Jörn Christiansen. In dem Sinne, den Föderalismus als Potential für demokratische Entscheidungen zu sehen.

Keine leichte Aufgabe, die Verfassungsgeschichte Bremens museal aufzuarbeiten. Meyer hat zu diesem Zweck – mit Unterstützung des Wirtschaftssenators und der Brauerei Beck – schon früh in der Historie angesetzt: Wer durch das goldene Portal am Eingang der Schau tritt, wird mit dem ältesten Bremer Schriftdokument konfrontiert, einer bischöflichen Grabtafel aus Blei aus dem 9. Jahrhundert. Oder mit zwei Abgüssen des Bremer Stadtsiegels, aus denen hervorgeht, daß die Stadt sich schon früh als Rom des Nordens verstand – untertan nur dem Kaiser.

Zweimal hat Bremen seine Unabhängigkeit eingebüßt

Viel zu lesen gibt es neben den Exponaten, jeweils Erklärungen und, daneben, einen historischen Abriß. Unabdingbar angesichts des komplexen Themas, das den begrenzten Räumlichkeiten der Unteren Rathaushalle angepaßt werden muß.

Tatsächlich „sinnlich präsentiert“ (Meyer) wird dann der zweite Teil von „Schlüssel und Adler“, die Zeit nach 1646. In den neuen Glasvitrinen, die später das Inventar des Focke-Museums wirkungsvoll in Szene setzen werden, Schneiderpuppen: Angetan mit Uniform, Helm oder Zweispitz – Insignien der herrschenden Autoritäten. Zweimal hat Bremen seine Eigenständigkeit eingebüßt seit 1646: 1810-13 hatte Napoleon die Stadt als Hauptort des „Département der Wesermündungen“ im Griff, und 1933-45 war Bremen „gleichgeschaltet“. Optisch unterstrichen ist der Verlust der Freiheit durch stilisierte Käfige, die die Schaukästen in Schach zu halten scheinen.

Krummstab als Statussymbol

Viele der Exponate – größtenteils aus dem Fundus des Focke-Museums – haben noch nie das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Und wer an den Resten des historischen Ratsgestühls achtlos vorübergeht und sich auch für den emaillierten Krummstab aus Limoges – Statussymbol des Bremer Erzbischofs im 13. Jahrhundert – nicht erwärmen kann, wird sich vielleicht für die Schutzmann-Uniform, angelehnt an die eines US-cops, interessieren, die in Bremen zur Nachkriegszeit getragen wurde.

„Der Schlüssel und der Adler“ endet mit einem Fragezeichen und einer letzten Figurine, angetan mit einer abgetragenen AG Weser-Montur. Da soll das geschätzte Publikum noch mal in Nachdenklichkeit verfallen. Eine hübsche kleine Broschüre, unentgeltlich an jeden Besucher verteilt, faßt die Eindrücke zusammen. Mu

Eröffnung morgen 11 Uhr, Untere Rathaushalle, 10-18 Uhr, ab 10.6., montags geschlossen (bis 1.9.)