Zukunft ohne Auslandspresse

Slowakei verbietet Alkohol- und Tabakwerbung  ■ Aus Brešow D. Bartz

Eine Regierung macht Ernst: In der Slowakei soll künftig jede Form der Werbung für Tabak- und Alkoholerzeugnisse verboten sein. Mit dem „Gesetz über die Reklame“, vom Kabinett bereits verabschiedet, soll jedes Schlupfloch geschlossen werden, durch das die Zigaretten- oder Getränkehersteller doch noch an die Öffentlichkeit gelangen könnten.

Damit sind die Politiker weit über das Ziel hinausgeschossen. Sie stellen nicht nur die Juristen vor kaum lösbare Probleme, sondern bedrohen auch die Informationsfreiheit. Das Reklameverbot gilt nicht nur für die gedruckten und elektronischen Massenmedien, sondern untersagt auch die Außenwerbung durch Plakatwände, Leuchtreklamen, Aschenbecher und T-Shirts.

Sobald ein slowakischer Richter urteilt, daß die „Camel Collection“ auf eine „unterschwellige Wahrnehmung“ von Zigarettenwerbung abzielt, wird die Kleidungsserie ein schnelles Ende finden. Dies droht auch dem Kaffee „Milde Sorte“, der in der Slowakei genauso verpackt ist wie die Zigarette. Und vor dem Aus steht auch die regierungskritische Satirezeitung Bumerang – eine Großbrauerei gibt das Blatt heraus.

Verboten sein wird aber das Sponsoring von Kultur- und Sportveranstaltungen sowie das Abhalten von Wettbewerben und das Verteilen von kostenlosen Proben. Werbung darf auch nicht telefonisch, über Computernetze wie das Internet und per Satelliten-TV verbreitet werden. Jozef Sucha, der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, bezeichnete die Regelung dieser Einzelheiten als „Angelegenheit für die Juristen“. Der Regierung hatte auch ein wesentlich schwächerer Gesetzentwurf vorgelegen. „Letztlich haben die Argumente der Mediziner den Ausschlag gegeben“, sagte Sucha.

Nach Angaben von Andrea Mrzov, der Leiterin des Instituts für Gesundheitserziehung, verursacht allein das Rauchen in der Slowakei einen jährlichen Schaden von umgerechnet 1,6 Milliarden Mark. 62 Prozent der Männer und 38 Prozent der Frauen, darunter die Hälfte aller Schwangeren, rauchen; im EU-Schnitt sind es nur 42 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen.

Generalstaatsanwalt Vala hat bereits bestätigt, daß das neue Gesetz auch für importierte Zeitungen und Zeitschriften gelte. Damit würde fast die gesamte ausländische Presse vom slowakischen Markt gefegt, darunter auch viele der noch immer häufig gelesenen Titel aus Tschechien, die geringeren Werbebeschränkungen unterliegen.

Experten rätseln auch über die Zukunft des Fernsehsports. Bei der Eishockey-Weltmeisterschaft, die Anfang Mai in Wien zu Ende ging, prangte „Jägermeister“ an den Banden. Darf das slowakische TV künftig noch internationale Sportveranstaltungen übertragen, wenn deren Sponsoren aus der Alkoholindustrie kommen? Und: Jede Mannschaft, auch die slowakische, trug die Aufnäher des WM- Sponsors „Warsteiner“ auf dem Trikot. Machen sich demnächst slowakische Sportler, wenn sie mit einer solchen Werbung im Ausland auftreten, strafbar?

Auch darüber werden wohl die Gerichte entscheiden müssen. Für ein schnelleres Aus sorgt das Sponsoring-Verbot. Sponsorship hat in der Slowakei enorm zugenommen, seit Tschechien und die Slowakei sich 1993 getrennt haben. Die einst üppigen Staatszuschüsse für Kultur und Sport fielen der Wirtschaftskrise zum Opfer. Zudem verblieben der Slowakei nach der Teilung des Landes kaum Großunternehmen, für die ein ernsthaftes Sponsoring in Betracht kommt.

Auch einer der beiden dominierenden Zigarettenhersteller, die an Philip Morris privatisierte Firma Tabk, liegt nun im tschechischen Ausland. Einzige inländischer Produzent ist die Slovak International Tabak (SIT) mit 1.400 Beschäftigten, die vom deutschen Reemtsma-Konzern gekauft wurde. Das Problem von SIT liegt in der Produktpalette: Von den in Tschechien und der Slowakei altbekannten Marken besitzt Tabk fast alle besseren, SIT hingegen fast alle schlechteren.

Mit enormem Aufwand hat Reemtsma deswegen die Marke „West“ in der Slowakei eingeführt. Seither trägt ein renommiertes Theater in der Hauptstadt Bratislava den Namen „Divadlo West“. Geld durch Werbung erhalten auch die slowakischen Snowboarder und vor allem der Nationalsport Eishockey. Dahinter mochte die Konkurrenz von Tabk nicht zurückstehen: Mit dem „Marlboro- Rock-in“ sponsort Philip Morris einen alljährlichen Nachwuchswettbewerb für Rockmusiker; in der Hochkultur werden die slowakischen Ballettkünstler bedacht.

SIT-Sprecher Jozef Banas glaubt, daß die Regierung unter psychologischem Druck stand, als sie ihren Entwurf verabschiedete. Kurz zuvor hatte ein Unfall die slowakische Öffentlichkeit erschüttert: Mehrere junge Soldaten verbrannten auf einem Lkw, als ein rauchender Rekrut unbeabsichtigt hochbrennbare Chemikalien entzündete. Nun hofft Banas, daß die Parlamentarier vor den Konsequenzen zurückschrecken werden, wenn sie im Sommer über das Totalverbot entscheiden. Doch die nationalistischen Koalitionspolitiker haben ihrer Regierung noch nie eine Abstimmungsniederlage beschert – und schimpfen über eine slowakeifeindliche Auslandspresse und zuviel „West“ im Land.