Wickeltisch und Werkbank

■ Nur für Frauen: Ein Modell-Projekt der Handwerkskammer nützt Berufsrückkehrerinnen und kleineren Betrieben Von Patricia Faller

„Das Handwerk ist traditionell männerorientiert und konservativ“, stellt Carola Niemann, Geschäftsführerin der Akademie des Handwerks Hamburg, fest. „Es gibt aber unheimlich viele Frauen, die sehr gut sind, und deshalb hat die Handwerkskammer Hamburg ein starkes Interesse, Frauen zu fördern.“ Ihnen gehöre die Zukunft. Denn bis zur Jahrtausendwende prognostiziert die Kammer einen grundlegenden Wandel der Berufstätigen- und Arbeitssuchendenstruktur: Der Bedarf an Fachkräften nimmt zu, es werden mehr über 50jährige beschäftigt sein als unter 30jährige. Bei der schwierigen Wettbewerbssituation sei es dann gerade für Klein- und Mittelbetriebe unerläßlich, mehr Frauen im Handwerk auszubilden und zu beschäftigen.

Diesem Trend will die Hamburger Kammer mit dem „Unternehmensverbund zur Förderung der Berufsrückkehr“ begegnen, der vom Senatsamt für die Gleichstellung und dem Europäischen Sozialfonds drei Jahre lang gefördert wird. Nach dem Motto: „Vom Wickeltisch zur Werkbank“ soll das Modell Frauen nach der Familienphase zu einer überbetrieblichen Arbeitsplatzgarantie verhelfen. Während der Erziehungspause sollen sie die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden.

Gleichzeitig richtet sich das Projekt an kleinere und mittlere Betriebe. Denn für diese bedeuten langfristige Arbeitsplatzzusagen häufig ein nicht kalkulierbares Risiko, das in der Praxis zu einer Benachteiligung von Berufsrückkehrwilligen führt. „Wenn zum Beispiel in einem kleinen Bäckerbetrieb die einzige Mitarbeiterin ausfällt, die nicht nur für den Verkauf, sondern vielleicht auch für Buchführung oder Einkauf zuständig ist, wie das häufig der Fall ist, dann bedeutet das einen erheblichen Einschnitt“, erklärt Projektleiterin Marianne Ludewig. Ersatz zu finden für eine Mitarbeiterin im Mutterschutz ist schwierig, verursacht Kosten für Anzeigen und verbraucht Zeit für Einstellungsgespräche. Diesen Aufwand soll die Koordinationsstelle den Firmen abnehmen. Die Interessentinnen sollen so qualifiziert werden, daß sie deren Anforderungen erfüllen können.

Seit September 1995 läuft die Poolbildung, werden Interessentinnen und Betriebe geworben. Das Interesse ist auf beiden Seiten groß. Bisher sind vier Innungen Mitglied in dem Verbund. Jede Innung vertritt 200 bis 300 Betriebe. Und rund 130 Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren haben sich dafür gemeldet. Ihre Motive sind unterschiedlich, wie Martina Friedmann, Leiterin der Koordinationsstelle, die mit eineinhalb Stellen ausgestattet ist, aus ihrer Beratungsarbeit weiß: Bei der einen sind die Kinder alt genug, so daß sie sich neuen Aufgaben widmen will. Die andere ist alleinerziehend und hat vorrangig finanzielle Gründe.

„Die meisten Frauen sind ganz offen bei dem, was sie machen wollen“, berichtet Marianne Ludewig. Viele, die früher in der freien Wirtschaft gearbeitet hätten, würden sich jetzt für Handwerksbetriebe entscheiden. Einblicke in die Betriebe oder ein langsames Wiedereingewöhnen in den Arbeitsalltag sollen Praktikumsplätze ermöglichen. Während der Babypause werden Urlaubsvertretungen oder Aushilfstätigkeiten, die dem persönlichen Zeitplan der Frauen angepaßt sind, vermittelt. Die Koordinationsstelle hilft bei der Suche nach einem geeigneten Betrieb. Mit dem Weiterbildungsprogramm, das von Verkaufstraining über EDV-Kurse bis zur Buchführung reicht, sollen die Frauen fit gemacht werden für den Beruf.

Doch Qualifikation allein reicht nicht aus. Es bedarf auch einer psychologischen Begleitung, denn: „Viele Frauen tragen sich zwar mit dem Gedanken, wieder berufstätig zu sein“, erklärt Akademiechefin Carola Niemann, „doch wenn es dann soweit ist, bekommen viele Angst vor der eigenen Courage.“

Nähere Informationen gibt es unter Tel.: 35 90 52 78 oder 35 90 52 77