■ Ökolumne
: Die knappen Kassen nutzen Von Gerd Rosenkranz

Fünf Jahre währte die Debatte. Eine unübersichtliche Gemengelage aus wirtschafts- und umweltpolitischen Argumenten sorgte dafür, daß sich die gewohnte Orientierung entlang parteipolitisch ausgetretener Trampelpfade phasenweise in Nichts auflöste. Der grüngestrickte Potsdamer Umweltminister stritt mit der Landes- CDU engagiert für die Zerstörung eines Naturreservats vor den Toren Berlins. Die CDU in Berlin, der Bundesverkehrsminister in Bonn und der Bund für Umwelt- und Naturschutz favorisierten nicht weniger heftig die stadtnahe Lösung. Am Ende stand, unter ökologischem Blickwinkel, eine vergleichsweise vernünftige Entscheidung: Der alte Honecker-Airport Berlin-Schönefeld wird auch der neue für die gesamtdeutsche Hauptstadt.

Umweltfragen spielten bei der Entscheidung letztlich ebensowenig eine Rolle wie das „Schutzgut Mensch“, als sich die Politiker auf Schönefeld festlegten. Der Bonner Verkehrsminister Matthias Wissmann faßte die Ergebnisse Dutzender Gutachten schließlich in einem einzigen Satz zusammen: „Politik kann man nicht gegen Adam Riese machen.“ Die Rettung von 22 Millionen Bäumen, drei Naturschutzgebieten, zwei Dörfern und einer Reihe umliegender Seen bei Speerenberg weisen also mitnichten auf ein wachsendes Gewicht, das ökologische Argumente nach über zwanzig Jahren Umweltdebatte bei der Umsetzung von Großprojekten auf die Waagschale bringen. Die Realität verhält sich schlichter: Der schnöde Mammon entscheidet ganz allein. Immer noch.

Im Klartext, die Natur hätte nicht die Spur einer Chance gehabt, wäre Sperenberg für die öffentlichen Kassen billiger statt teurer gekommen, hätte den privaten Investoren nicht rechtzeitig geschwant, daß ihr einst euphorisch propagiertes Luftkreuz Berlin sich längst zu einem grandiosen Luftschloß verflüchtigt hat. Der Superairport Sperenberg, ahnten sie, würde sich angesichts dramatisch eingedampfter Fluggastprognosen als teurer Dauercrash erweisen.

Schönefeld ist ein Lehrstück. Es lehrt, daß die Natur nicht allein deshalb verlieren muß, weil die Dominanz der Ökonomie über die Ökologie ungebrochen ist; daß leere Kassen sich nicht naturwüchsig gegen eine umweltverträgliche Zukunft wenden. Den Bäumen von Sperenberg ist es gleichgültig, ob ökologische Einsicht oder die Gesetze des (fehlenden) Geldes sie retten.

Das Aufeinandertreffen fragwürdiger Großprojekte und leerer Kassen ist also aus umweltbewegtem Blickwinkel nicht ganz ohne Reiz. Möglich, daß manche Betonorgie aus den Planungsstäben der Gigantomanen gar nicht erst Realität geworden wäre, hätten ihre öffentlichen Förderer schon damals jede Mark zweimal umdrehen müssen. Die eine oder andere Autotrasse oder Stadtumgehung etwa wäre uns erspart geblieben. Und der Rhein-Main-Donau-Kanal? Würde dieses Denkmal bayerischer Ignoranz gegenüber Ökologie und Ökonomie heute noch einmal in die Flußauen geknallt? Ein aktuelles Beispiel: Laut Bundesrechnungshof müßte Bonn für die projektierte ICE-Trasse München–Ingolstadt–Nürnberg schlappe 15,6 Milliarden hinblättern. Die umweltverträglichere Variante über Augsburg wäre für zwei Milliarden zu haben. Jede Wette, daß der Schwachsinn nicht an den Einwänden der Ökologen scheitert, sondern – wenn überhaupt – an Waigels Kassenlage.

Was lernen wir daraus? Umweltschutz ist teuer, Umweltzerstörung teurer. Nicht nur wegen der Spätfolgen. Es ist eine Binsenweisheit: Die Ökologie kann der Ökonomie nicht entgehen; aber auch umgekehrt wird ein Schuh draus. Wer die Gigantomanen mit ökologischen Alternativen ökonomisch aussticht, hat in Zeiten leerer Kassen gute Chancen. Im besten Fall schafft er umweltverträgliche Lösungen, im schlechtesten verhindert er – wie in Schönefeld – das Schlimmste. „Politik kann man nicht gegen Adam Riese machen.“ Jawoll, Herr Bundesverkehrsminister! Und was sagt der Mann zum Transrapid?