: Verschwindet das Ozonloch?
■ Trotz des Rückgangs von FCKW – keine Entwarnung
Bei der BBC in London ist das Ozonloch schon fast ein Thema der Vergangenheit: Von der nicht stattgefundenen Katastrophe war dort gestern früh die Rede. Und auch die Presseagenturen melden, daß sich die schützende Ozonschicht wohl bald erholen wird. Sie alle berufen sich auf amerikanische Wissenschaftler vom renommierten NOAA-Laboratorium in Boulder, die erstmals einen Rückgang von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) in Bodennähe gemessen haben. Tatsächlich ist der Rückgang des Ozonkillers ein Erfolg, der durch einen internationalen Vertrag möglich wurde. Aber für eine Entwarnung ist es noch zu früh, viel zu früh.
Die Wissenschaftler weisen nämlich zugleich darauf hin, daß die zerstörerischen Substanzen noch lange brauchen, bis sie in der kritischen Höhe von 10 bis 25 Kilometern angekommen sind. Der Ozonabbau in der Stratosphäre geht also in jedem Fall noch einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte weiter. Schon heute ist die Hautkrebsrate in Neuseeland, Südchile und Australien deutlich höher als anderswo, und an verschiedenen Pflanzen- und Tierarten wurden genetische Veränderungen beobachtet. Wann kann, wann muß man von einer Katastrophe sprechen?
Keineswegs ausgemacht ist außerdem, daß die FCKW-Höchstemissionen tatsächlich überschritten wurden. Die Drittweltländer haben im Montrealer Protokoll über den FCKW-Ausstieg nämlich relativ lange Übergangsfristen herausgehandelt – vielerorts werden Kapazitäten neu aufgebaut. Nur wenn die Industrieländer bereit sind, ihr Technik-Know-how zu teilen und ihre alten Maschinenparks zu verschrotten, anstatt an Entwicklungsländer zu verkaufen, gibt es eine Chance für einen FCKW-Rückgang. Und noch ein dritter Punkt spricht dafür, das Ozonloch nicht als Problem der Vergangenheit zu betrachten. Renommierte Wissenschaftler weisen darauf hin, daß mögliche Folgewirkungen des jährlichen Amoklaufs der Chloratome in der Atmosphäre noch gar nicht erforscht sind. Eine Lehre sollten wir aus der Erfahrung mit dem Ozonloch ziehen: Scheinbar ungefährliche Produkte können viel später riesige Folgewirkungen erzielen. Das Ozonloch bereits bei der ersten positiven Meldung zu verdrängen hieße, diese Lektion nicht gelernt zu haben. Annette Jensen
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