Lyrische Bässe zu schlechter Luft

■ Am Wochenende fand das siebte „Jazzfest Delmenhorst“ statt

Der Pianist Joachim Kühn wußte scheinbar nicht so recht, wo er und seine Band gerade spielten. „Liebe Jazzfreunde in ...“ begrüßte er das Publikum im „Kleinen Haus“ in Delmenhorst, aber dann fiel ihm einfach der Ortsname nicht ein. Hans Kämper, der auch als künstlerischer Leiter des Festivals fungiert, eröffnete es mit seinem Quintett „Slide Movements“, das mit drei Posaunisten, Schlagzeug und Baß ungewöhnlich besetzt war. Zwangsläufig überwogen deshalb bei dieser Musik die tiefen Tonlagen, und der Hauptreiz des Auftritts lag in dem Kontrast zwischen den drei Posaunisten.

Das hohe Niveau dieses ersten Sets konnte Miroslav Vitous mit seinem Solokonzert auf dem Kontrabaß leider nicht halten. Sein hochtechnisiertes Programm mit „computergesampelten Orchesterklängen“, Echoschleifen und eingespielten Rhythmuspatterns wurde schlicht dadurch sabotiert, daß die Maschinen auf dem Transport verlorengingen. So mußte Vitous ganz bescheiden ohne Elektronik ein Notprogramm auf dem Baß spielen, und das wurde bei all seiner Virtuosität schnell eintönig.

Am zweiten Abend wurde das Vergnügen durch die äußeren Bedingungen beeinträchtigt. Die Luft in dem Theatersaal war schon nach kurzer Zeit zum Schneiden. Joachim Kühn stellte hier seine „Franco-Allemand Band“ mit den Franzosen Michel Benita (Bass), Simon Gobert (Schlagzeug) und dem Veteranen des deutschen Jazz, Heinz Sauer, am Saxophon vor. Der Pianist mit dem Flair des langmähnigen Virtuosen mag solche programmatischen Bandnamen und Titel (eine Soloplatte von ihm hieß „United Nations“), und das Konzept des französisch/deutschen Zusammenspiels war ihm so wichtig, daß er hier viel verhaltener spielte, als man es von ihm gewohnt ist und den beiden Franzosen viel Raum für ihre Soli ließ. Simon Gobert enttäuschte dabei eher mit einem sehr hart und laut gespielten Schlagzeug, aber Michel Benita gelangen einige schöne, lyrisch gespielte Baßlinien. Heinz Sauer klang dagegen seltsam zögerlich und sparsam.

Eindeutig der Höhepunkt des Festivals war der Auftritt des „Dave Holland Quartet“. In einem langen Set von gut anderthalb Stunden spielten der englische Bassist und seine drei afro-amerikanischen Bandmitglieder so genau abgestimmt, intensiv und vielseitig zusammen, daß alles Davorgehörte verblaßte. Holland glänzte mit wunderschön melodischen Intros, Gene Jackson thronte wie ein swingender Buddha hinter seinem Schlagzeug, Eric Person spielte sein Saxophon mit kraftvoller Eleganz, und Steve Nelson gab der Gruppe mit seinem fließend gespielten Vibraphon den besonderen Klang, der es von gängigen Jazz-Quartetten unterschied. Provinziell an diesem Festival war nur der Mief im Konzertsaal. Willy Taub