Mord & Totschlag an der Weser

■ Krimi-Autor Jürgen Alberts über den Bremischen Filz, „The Big Sleep“ und alte Hüte

Jürgen Alberts ist aus Bremen nicht wegzudenken. In den 70ern gründete er das „Bremer Blatt“ und arbeitet 17 Jahre lang als Filmemacher an Fernsehdokumentationen, bevor er sich entschloß, Krimis zu schreiben. Seit 1987 hat Jürgen Alberts eine Serie von zehn in Bremen spielenden Kriminalromanen veröffentlicht, die jetzt mit dem Band „Kriminelle Vereinigung“ ihr Ende findet.

taz: Warum sieht man Sie nie ohne Hut?

Jürgen Alberts: Ich hab mir mal die Glatze verbrannt, das war 1984. Da saß ich mit meiner Frau in Portugal auf der Terrasse und schrieb am „Tod in der Algarve“, da war die Sonne wohl zu stark und die Haardecke zu dünn. Als ich dann zurückkam, drehte gerade jemand einen Film über mich und verwendete verschiedene Einstellungen mit Hut. Das hatte großen Erfolg, und ich bekam sage und schreibe 30 Hüte geschenkt.

Der Sonnenbrand müßte aber langsam abgeheilt sein?

Das ist jetzt mein Image: „Der Mann mit dem Hut“. Ich war gerade bei der „Kriminale“ in Gießen, das ist ein Verein mit 145 Mitgliedern bundesweit, da war dann auch die Presse, und was kam? „Der Mann mit dem Hut ist da“. So geht das immer, die Leute schreiben dann zwar nichts über die Bücher, aber sie bringen ein Foto von mir. Sogar die „Sunday Times“ hat schon mal das „Literary Magazine“ mit einem Foto von mir aufgemacht. Seit neuestem gibt es drei, vier Epigonen in der Szene, die auch Hut tragen, das fällt natürlich auf.

Sie waren aber auch nicht der erste mit diesem Markenzeichen.

Nein, auch Fassbinder trug zum Beispiel Hut. Das ist eine Reihe von Leute, die ich sehr verehre, wo ich mich gar nicht einreihen will.

Warum diese zähe Liebe zu Bremen?

Ich habe gemerkt, daß all die Defizite und das Provinzielle auch seine Vorteile hat. Durch all die Kungeleien und den Filz, die Bremischen Verhältnisse, gibt es eben auch viel zu lachen. Zum Beispiel die Situation bei der Bauerndemonstration, als ein Polizeiwagen unter Mistkübeln begraben wurde. Sowas kann man doch gar nicht erfinden. Da macht Bremen es einem sehr leicht.

Sie haben nicht nur einen, sondern mittlerweile zehn Krimis geschrieben, die in Bremen spielen, wird Ihnen das nicht langweilig?

Das ist ein internationaler Standard, man schreibt entweder mit dem gleichen Personal oder behält den Schauplatz bei. Leo Malet hat 20 mal über Paris geschrieben, weil es 20 Arrondissements gibt. Peter Paul Zahl beginnt 14 Krimis über Jamaica. So geht es mir auch mit Bremen.

Für mich fand im „Bremer Blatt“, das wir 1976 gegründet hatten, ein Schlüsselerlebnis statt. Da kam eines Tages ein Polizist und wollte auspacken. Zwei Stunden lang erzählte er mir seine Geschichte. Aber am nächsten Tag war er dann schon wieder da und bat mich, Stellen aus dem Interview herauszunehmen, und so ging es weiter. Das Interview ist letztendlich gar nicht erschienen, weil der Mann solche Angst hatte. Ich konnte das gar nicht fassen und dachte nur, was muß da los sein, daß die Leute über ihren Berufsalltag nicht sprechen können. Daraus wurde dann der erste Roman, das „Kameradenschwein“.

Müssen Sie verfremden, um ihre Informanten zu schützen?

Ja, und ich bin stolz darauf, daß mir auch noch nie ein Informant verbrannt ist. Aber ich muß vielleicht ein wenig umändern, wenn zu leicht zwischen den Zeilen zu lesen wäre, wo alles herkommt. Zum Beispiel wird noch heute in der Umwelt-Behörde, in der damaligen Fücks-Behörde, herumgerätselt, wer der Informant aus dem „Sesselfurzer“ war. Aber sie sind nicht drauf gekommen, weil sie noch nicht mal verstanden haben, daß man auch aus einer anderen Behörde etwas transponieren könnte.

Haben Sie Feinde?

Bei der Geschichte über die „Chop-Suey-Gang“, das war wohl die härteste Reaktion. Da ist ein ehemaliger Landeskriminalrat fast ausgeflippt, weil ich was festgemacht hab, was auch in der Presse gestanden hat. Aber wenn es im Buch steht, dann ist es doch etwas anderes.

Wie hat sich die Stadt in den letzten zehn Jahren denn verändert?

Es scheint mir heute viel mehr im öffenlichen Bewußtsein, was dieser Filz und der Bremer Mief so angerichtet haben, bis hin zu den Katastrophen, die jetzt mit Vulkan ans Tageslicht gekommen sind.

Aber wenn Bremen jetzt ein Paradies würde, dann müßten Sie ja wegziehen aus der Stadt.

Na, ich will auch gern hier leben. Aber natürlich ist es ein Verkaufsargument, wenn „Spiegel“ und „Stern“ Bremen in der Kriminalitätsstatistik oben anführen.

Wie arbeiten Sie?

Da hat sich mittlerweile eine große Routine herausgearbeitet. Bücherschreiben, das ist ja nur zu fünf Prozent Kunst, dann kommen nochmal 20 Prozent Ideen, und der Rest ist Handwerk. Wenn der Plot steht, ich also weiß, worüber ich schreiben will, dann kommen erst mal drei Wochen harte Recherche. Es folgt eine Woche für die Struktur, wo ich die einzelnen Handlungselemente so wie auf dem Schachbrett herumschiebe. Und letztendlich muß ich dann 22 bis 23 Tage lang hart schreiben. Ich sitze dann ohne Samstag und Sonntag dran und produziere täglich zehn Seiten, von denen dann etwa drei bis vier den nächsten Tag nicht überleben.

Le Carré holt seinen George Smiley jedesmal aus der Pensionierung zurück. Haben Sie Abschiedsschmerz?

Schon, aber ich wollte eben nicht, daß die Figuren solche Marotten kriegen. Nur Klaus Grünberg von den „Weser Nachrichten“, der darf sich das bei mir leisten, der schreibt dann Bestseller wie „Why Dogs Don't Answer.“

Und was wird Ihr nächster Coup sein?

Ich schenke mir zum 50. Geburtstag ein Plagiat von „The Big Sleep“. Auf Anregung meines Lektors wird J. B. Cool, der bislang nur aus Kurzgeschichten bekannt ist, einen längeren Auftritt haben.

In Los Angeles?

Nein, natürlich spielt alles wieder in der Hansestadt. Da verknüpfen sich alle Handlungsstränge, und plötzlich sagt dann einer: „Wieso, der Fall ist doch gelöst, hier ist doch das Buch.“ Philip Marlowe und Humphrey Bogart tauchen dann auf und lösen den Fall gemeinsam, das ist die Schlüsselszene in dem neuen Text. Aus diesem „Plagiat“ wird auch ein „Big-Sleep“-Programm entstehen. Gemeinsam mit dem Pianisten Mark Scheibe entsteht eine Lesung mit Musik, und anschließend sehen die Leute den Film. Für das nächste Jahr gibt es schon große Nachfrage.

Fragen: Susanne Raubold

Heute abend um 20 Uhr liest Jürgen Alberts aus „Kriminelle Vereinigung“ in der Buchhandlung Blessing, Albrechtstraße 19