1.300mal Westgeld zurück

■ „Feuerwehrurteil“: Senat fordert von 1.300 Bediensteten Geld zurück. Zahlen brauchen die Betroffenen vorerst nicht

1.300 Ost-Bedienstete im öffentlichen Dienst müssen die über den Osttarif hinaus erhaltenen Gehaltszahlungen an das Land Berlin zurückerstatten. Die zuständige Innenverwaltung stundet die durchschnittlich 2.700 Mark pro Person aber bis auf weiteres. Darauf einigte sich der Senat gestern und zog damit die Konsequenz aus dem „Feuerwehrurteil“ des Bundesarbeitsgerichts. Das Gericht hatte im Oktober vergangenen Jahres entschieden, daß von zwei Ostberliner Feuerwehrmännern, die gemeinsam in einer Wache im Bezirk Mitte arbeiten, nicht einer nach dem höheren West- und der andere nach dem niedrigeren Osttarif bezahlt werden dürfen.

Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) zeigte sich gestern zuversichtlich, eine vom Land gegen das Urteil eingelegte Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht zu gewinnen. Sollte das Karlsruher Gericht die Auffassung Berlins teilen, würden die geforderten Rückzahlungen hinfällig werden, sagte Schönbohm. Unterliegt das Land beim Verfassungsgericht hingegen, müßten die 1.300 Bediensteten im Ostteil, die im ersten Halbjahr dieses Jahres vollen Lohn (Westtarif) statt 96 Prozent (Osttarif) erhalten haben, die durchschnittlich 2.700 Mark allerdings endgültig zurückzahlen. Der Senator rechnete mit einem Urteil in zwei Jahren.

Um dem Feuerwehrurteil vom Oktober genüge zu tun, hätte der Senat auch die Möglichkeit gehabt, bestimmten Beschäftigten des öffentlichen Diensts im Ostteil Westgehalt zu zahlen. Dies allerdings wäre dem Land mit einer halben Milliarde Mark an Gehaltsnachzahlungen und Überstundenvergütungen teuer zu stehen gekommen. Diese Zahlungen, so Schönbohms Befürchtungen, hätten weitere unüberschaubare Forderungen anderer Ost-Beschäftigter in Milliardenhöhe nach sich gezogen.

Im einzelnen hatten bereits 1993 4.345 Ost-Beschäftigte beim Land den Westtarif beantragt. Nach Osttarif verdienten sie weniger und mußten gleichzeitig mit 40 Wochenstunden anderthalb Stunden mehr arbeiten als ihre Westkollegen. Würde das Land die Forderungen erfüllen, müßte es für die Zeit von 1993 bis Oktober 1996 – erst dann erhalten die Ost-Beschäftigten volles Westgehalt bei 38,5 Wochenstunden – 130 Millionen Mark Lohn und 23 Millionen Mark für Überstunden nachzahlen.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht das Feuerwehrurteil fällte, beantragten noch einmal weitere 27.500 Ost-Beschäftigte Westtarif. Ihnen allein müßte Berlin mit Gehaltsnachzahlungen und Überstundenvergütung insgesamt 318 Millionen Mark zahlen.

Schönbohm geht davon aus, daß eine angekündigte „Massenklage“ von Beschäftigten im öffentlichen Dienst nach der gestrigen Entscheidung nicht aufzuhalten ist. Damit die Ansprüche der 4.345 Antragsteller von 1993 nicht verloren gehen, will das Land die Frist um ein halbes Jahr verlängern. Sie wäre ürsprünglich im Juli ausgelaufen. In diesem halben Jahr will sich Schönbohm mit der Gewerkschaft ÖTV auf eine Musterklage einigen. Der Innensenator befürwortet eine Musterklage, weil diese im Gegensatz zu einer Vielzahl von einzelnen Klagen zu einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts führt. Ein solches Urteil schaffe allen Betroffenen eine weitaus „größere Rechtssicherheit“. Darüber hinaus bedauerte der Innensenator die gängige Rechtssprechung, weil diese der vom Senat gewollten schnellen Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West entgegenstehe. Dirk Wildt