Ariane 5 ist Jungfer geblieben

■ Rakete explodierte 59 Sekunden nach dem Start. Entwicklungskosten des Systems: 12 Milliarden Mark. Achter Mißerfolg der europäischen Satellitenraumfahrt

Kourou (AFP/dpa/taz) – 59 Sekunden flog Ariane 5 mit der Schubkraft von zwölf Jumbo-Jets in Richtung Orbit. Dann löste sie sich in einen riesigen Feuerball auf. Im europäischen Raumfahrtzentrum Kourou in Französisch- Guyana herrschte betretenes Schweigen; mancher Ingenieur war den Tränen nahe. Schließlich galt die 12 Milliarden Mark teure Entwicklung mit 98,5 Prozent als extrem zuverlässig. „Wir hatten alle Systeme immer und immer wieder überprüft und deswegen wiederholte Startverzögerungen in Kauf genommen. Es sollte direkt beim ersten Mal ein Meisterschuß werden“, sagte ein Ingenieur mit belegter Stimme.

Fast ein Jahr lag der Starttermin bereits hinter dem ursprünglichen Zeitplan. Eine Schlechtwetterfront hatte gestern nur sieben Minuten vor Beginn des Startintervalls zur Unterbrechung des Countdowns geführt. Vor allem ein Gewitter drohte die mit einer Art Schießpulver in den seitlich angebrachten Feststoffboostern und flüssigem Wasser- und Sauerstoff gefüllte Rakete in eine pyrotechnische Katastrophe zu verwandeln.

Als die Meteorologen endlich „grünes Licht“ gaben und auch die Sicht besser wurde, gab es Starterlaubnis. Mit der Kraft von zwölf startenden Jumbo-Jets stemmte sich die neue Eurorakete Ariane 5 von dem eigens für sie erbauten 1,2 Milliarden Dollar teuren Startkomplex ELA in den morgendlichen Himmel über Südamerika. Keine Minute später war das Milliardenprojekt explodiert. Die Trümmer der Rakete und der vier Cluster-Forschungssatelliten der ESA stürzten ins Meer.

Die Rakete sollte vier europäische Forschungssatelliten in der Erdumlaufbahn aussetzen. Außerdem war geplant, Ariane 5 später beim Bau der internationalen Raumstation Alpha einzusetzen.

Es handelte sich um den achten mißglückten Flug einer Rakete aus dem Ariane-Programm seit dem ersten Start 1979. Eine Untersuchungskommission werde eingesetzt, die die genaue Ursache für den mißglückten Flug klären soll, sagte ESA-Generaldirektor Jean- Marie Luton in Kourou. Die Kommission solle ihre Ergebnisse am 15. Juli vorlegen und mögliche Verbesserungen vorschlagen. ESA-Präsident Charles Bigot zeigte sich enttäuscht, betonte aber: „Das Leben geht weiter.“ Das für Raumfahrt zuständige Vorstandsmitglied der Daimler- Benz Aerospace AG (Dasa), Werner Heinzmann, rief die europäischen Partnerunternehmen auf, das Raketenprogramm mit Nachdruck weiterzuverfolgen. „Ein solcher Rückschlag muß aber bei derart hochkomplexen Technologien, wie sie die Ariane 5 darstellt, einkalkuliert werden“, meinte Heinzmann mannhaft in Bremen. Die Dasa ist an der Entwicklung der Ariane 5 beteiligt.

In Bonn forderten Bündnis 90/ Die Grünen einen Verzicht auf „Megaprojekte der bemannten Raumfahrt“. Das Mitglied des Forschungsausschusses des Bundestages, Simone Probst, kritisierte die Ariane 5 als „Ladenhüter“ und „überholtes Konzept“.