Selbstbestimmtes Waschen

■ ExpertInnen lassen sich die „Zeit in der Stadt“ erklären. Teil 1: Das Krankenhaus

Das Thema Zeit ist immer für einen Rap gut. Zeit-Probleme füllen „Burn-out“-Bildungsseminare. Auch eine Stadt hat ihre Zeit-Zwänge: Die Arbeitszeit, die Fahrpläne der Straßenbahn und den Termin mit dem Schornsteinfeger. Mit Zeit läßt sich also Politik machen, behauptet seit einiger Zeit ein illustrer Kreis von BremerInnen aus Wissenschaft und Verwaltung, das 1992 gegründete Perspektiven-Labor. Was dieser Kreis mit der Zeit in der Hansestadt anstellen will, soll die Zeit zeigen. Die Damen und Herren sind auf jeden Fall wild entschlossen, in einer Serie von Anhörungen alles über Zeitprobleme und Zeitnöte öffentlicher Bereiche zu erfahren. Mittwoch abend saß „das Zentralkrankenhaus Ost“ auf dem Podium und ließ sich hinter die Fassade blicken.

Zeit im Krankenhaus, das ist Frühstück um Sieben, Visite-Streß und der immer wieder verschobene Operationstermin. Denkt sich die Laiin aus Sicht der Patientin und wünscht sich mehr Mitsprache und Eigenverantwortung. Tatsächlich sprechen auch Ärzte, Pflege und Verwaltung neuerdings von einer „Patientenorientierung“ und vom „Kunden, also König“. Doch eine Kundin saß auf diesem Podium nicht: Es ging vor allem um die Zeiten der Diktierenden.

Ärzte und Pflege waren vertreten, Personalrat und Personalleiter waren gekommen, schlüsselten die Betriebsstrukturen im Krankenhaus auf und offenbarten stark Verkrustetes: Zwar biete das Haus flexible Arbeitszeiten an, „Normalarbeitszeiten“ im Pflegebereich würden getestet, Erziehungsurlaub und Teilzeit seien überall da möglich, wo es nur gehe. Aber äußere Zwänge erdrückten vieles im Keim, so der ZKH-Personalleiter. „Wer in Teilzeit geht, der muß verzichten“, bestätigte eine Oberärztin aus der Psychiatrie, die sich unters Publikum gemischt hatte. Auf den Visitenüberblick am Morgen, oder auf die große Übergabe am Mittag, nachmittags auf Fortbildung oder den Kontakt zu Angehörigen.

PatientInnenwünsche kollidieren mit den Ansprüchen und natürlich auch Rechten der Bediensteten. Das war schnell klar, man bat – politisch korrekt – ja auch um das Statement des Personalrats. Doch es sollte doch eigentlich an diesem Abend um neue Anregungen gehen.

Diese taten sich jedoch nur da auf, wo tatsächlich die Bedürfnisse der Kranken leicht durchschimmerten. Stephan Uhlig-Rendigs, Kunstpädagoge in der Kreativwerkstatt, kam zu Wort und berichtete, daß die Kunst in der Psychiatrie immer mehr in den Freizeitbereich verdrängt worden sei. Tagsüber, in der Therapiezeit, sei dafür kein Platz, ließen ihn die übrigen TherapeutInnen im Hause wissen. Viele PatientInnen kämen nicht mehr, fühlten sich überlastet und einem solchen Konkurrenzdruck nicht gewachsen.

Uhlig-Rendigs bekam Rückendeckung: „PatientInnen wollen mehr Kontrolle und auch über die Hygiene-, Essens- und Untersuchungszeiten selbst bestimmen“, sagte ZKH-Psychologin Helga Loest. „Ohnmacht und Abhängigkeit haben sie sowieso genug.“

Man habe ja bereits die Besuchszeiten erweitert, einen Arbeitskreis Nutzerinteressen gegründet und einen PatientInnensprecher im Haus. Der Rest des Podiums begann sich zögerlich zu rechtfertigen. Jetzt hätte endlich eine zündende Diskussion beginnen können, doch dazu war es nach zweieinhalb Stunden Hearing leider schon zu spät. Die Zeit war dahin.

Das Bremer Perspektiven-Labor gab sich zufrieden. Sein Sprecher Professor Ulrich Mückenberger (Arbeitsrecht) konnte auch nicht genau sagen, was aus diesem Abend denn nun praktisch werden solle, holte aber nochmals visionär aus, und zwar über die Stadtgrenzen hinweg in Richtung Italien. In Modena hat die Fraueninitiative „Tempi della Citta“ – Zeit(en) in der Stadt – bereits den ganzen Ort verändert, vom Einzelhandel bis zum Taxiunternehmen. „Bremen wird vielleicht mehr Bürgerbeteiligung erreichen“, denkt Mückenberger zurückhaltend über ein Modell nach, das irgendwo zwischen altherkömmlicher Politik und Bürgergruppen angesiedelt sein könnte. Am 18. Juni nimmt sich das Bremer Perspektiven-Labor die Zeit in der Schule vor. Dann streitbar ? sip