Nicht wirklich konzentriert

Kölner Tage des Paradigmenwechsels in der Medienpolitik. Wolfgang Clement sperrte auf dem Medienforum fröhlich Hintertürchen auf  ■ Von Lutz Meier

Seit der westdeutsche Klub Borussia Dortmund die deutsche Fußballmeisterschaft errang, ist Nordrhein-Westfalen nicht mehr zu halten. „Wir wollen ganz vorn sein“, rief der Chef-Medienpolitiker des Landes, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, dem Publikum zu Beginn des Kölner Medienforums zu – unter Hinweis auf die Mannen vom Westfalenstadion. Und keiner aus der nordrhein-westfälischen Führungsetage vergaß auf dem Kölner Podium den Schwenk zum Fußballmeister: Regierungschef Johannes Rau, WDR-Intendant Fritz Pleitgen, Medienanstaltsdirektor Norbert Schneider und immer wieder Wolfgang Clement. Der ließ schon gar keinen Zweifel aufkommen: Im Lande Bertelsmanns wird nicht nur gespielt – global gar –, hier will man auch die Regeln machen, nach denen gespielt wird.

Natürlich geht das nicht ohne warme Worte. Bevor etwa Rau zu den Fakten kam, sprach er viel von Jugendschutz und Verantwortung. Dann erst sagte er knapp, wie man Medienpolitik in NRW buchstabiert: „Selbstbewußte Medienwirtschaftspolitik.“ Angesichts der Neufassung des Rundfunkstaatsvertrags im Sommer warnte Norbert Schneider die Großunternehmen vor zu großer Anspruchshaltung: „Wer 50 Prozent erwartet und 90 Prozent bekommen hat“, der könne doch wohl die restlichen 10 Prozent schlucken.

Meinungsmacht wird nur „vermutet“

Jenes letzte Zehntel spielte die Hauptrolle auf dem Medienforum. Jene drei Punkte zum Thema Konzentrationskontrolle, die im ursprünglichen Vertragsentwurf der Ministerpräsidenten noch übrigblieben. Hurtig machte sich Clement daran, auch diesen der Reihe nach aufzuweichen. Erstens: der Marktanteil. Nur wenn die Sender eines Medienkonzerns, nennen wir ihn B., mehr als 30 Prozent der Zuschauer erreichen, so der Entwurf, dann wird Meinungsmacht „vermutet.“ Für Clement dürfen diese dreißig Prozent auch ruhig ein bißchen mehr sein. Im Sinne eines „Ermessensspielraumes“. Zweitens: die Zurechnung. Alle Sender, so sieht es der Entwurf vor, an denen ein Konzern mit mehr als 10 Prozent beteiligt ist, sollen voll prozentual mitgerechnet werden. Minister Clement aber schwebt eine Anrechnung vor, nach der selbst eine 51-Prozent-Mehrheitsbeteiligung nur zur Hälfte zählen würde. Demnach müßte Bertelsmann gleich fünf RTLs betreiben, um nur in die Nähe der Konzentrationsgrenze zu kommen.

Drittens: die Fensterregelung. Wer mehr als 10 Prozent Zuschaueranteil hat, soll nach dem ursprünglichen Entwurf Untermieter aufnehmen. „Unabhängige Dritte“, die Programmfenster erhalten. Auch hier kam Clement den Sendern entgegen: Sie sollen sich die Unabhängigen selbst aussuchen dürfen – aus einer Liste, in welche die Landesmedienanstalt mögliche Fensterveranstalter aufnimmt. Doch damit der Hintertürchen nicht genug: Die sechs Vertreter der Konzentrationsermittlungskommission (KEK) will der Düsseldorfer Politiker von den Ländern und nicht von den unabhängigen Landesmedienanstalten benennen lassen.

Duopol faktisch legalisiert

„Ein großer Aufwand für ziemlich wenig“, meint Hans Hege, Direktor der Landesmedienanstalt Berlin. Er glaubte bisher schon nicht daran, „daß wir ohne Konzentrationskontrolle mehr Konzentration hätten“. Und der Mainzer Medienanwalt Paul Leo Giani resümierte eine „faktische Legalisierung des Duopols“ von Bertelsmann und Kirch. Auch bei 25 Prozent wäre es nur noch eine Sache der Feinabstimmung zwischen den Medienkonzernen – worauf bereits Kartellamtspräsident Dieter Wolf warnend hingewiesen hatte.

Außer Clement zeigte kaum ein Medienpolitiker „Gestaltungswillen“. SPD-Vertreter aus konzernfreien Ländern, wie Hessens Staatskanzleichef Hans Joachim Suchan, wußten zwar dies und das zu bemängeln, doch schien das eher Ausdruck einer gewissen Ohnmacht zu sein. Obwohl er angesichts der KEK-Konstruktion zu ahnen schien, worauf alles hinausläuft: „Über verwaltungsrechtliche Fragen fliegt uns das ganze Modell auseinander.“

So blieb es Karl-Heinz Klär, dem ehemaligen Mainzer Staatskanzleichef, überlassen, nach Konsens zu fragen. Ob denn überhaupt noch gelte, daß „dort, wo Weltbilder geschaffen werden“, Meinungsmacht gefährlich und Regulierung vonnöten sei. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk kam – nicht nur bei Clement – nur noch als Fußnote vor. Auf dem Medienforum vollzog sich ein Paradigmenwechsel: Stand in den letzten Jahren die Konkurrenz von privatem und öffentlich-rechtlichem Fernsehen im Mittelpunkt, geht es heute nur noch um Free- und Pay-TV.