Wie man ungestraft Millionen verschwendet...

■ ... will das Berliner Parlament morgen auf einer Sitzung demonstrieren

Berlin (taz) – Überall im Staatsapparat wird gespart und den sozial Schwachen ins Portemonnaie gegriffen. Doch noch immer können Regierungsmitglieder ungestraft Millionen verschwenden. Dies will das Berliner Abgeordnetenhaus demonstrieren, das wahrscheinlich morgen nachmittag zu einer Sondersitzung zusammenkommt.

Die Bündnisgrünen haben gestern gegen Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) einen Mißtrauensantrag gestellt, der nach einem Bericht des Landesrechnungshofes „einen unwirtschaftlichen und Berlin bis zum Jahr 2052 belastenden Vertrag geschlossen“ und „dabei gegen die Verfassung verstoßen“ haben soll. Doch die Bündnisgrünen werden in der morgigen Sitzung mit ihrem Antrag aller Voraussicht nach an den Stimmen von CDU und SPD scheitern.

Pieroth war in der letzten Legislaturperiode Finanzsenator. Um die Milliardendefizite im Landeshaushalt zu verschleiern, hatte er im September letzten Jahres Forderungen aus den Wohnungsbaudarlehen an die Investionsbank Berlin abgetreten. Diese Darlehen hatte das Land Berlin zu 60 Prozent und der Bund zu 40 Prozent in den Jahren 1952 bis 1968 für den Bau von Wohnungen vergeben. Bis zum Jahr 2052 wäre das Geld in den Landes- und Bundeshaushalt zurückgeflossen – insgesamt noch etwa 1,2 Milliarden Mark.

Die „Schuldscheine“ in Höhe der 1,2 Milliarden Mark verkaufte Pieroth an die Investitionsbank, ließ sich aber dafür nur 961 Millionen Mark auszahlen. Viel zu wenig, wie nicht nur der Präsident des Landesrechnungshofs, sondern auch die Bank bemerkte. Diese zahlte später nämlich freiwillig 65 Millionen Mark nach.

Der oberste Rechnungsprüfer bemängelt, daß das Geschäft für Berlin so schlecht ist, daß dagegen sogar die Aufnahme neuer Kredite günstiger gewesen wäre. Außerdem fehlte die für das Geschäft notwendige Zustimmung des für den Wohnungsbau und somit auch für die Darlehen zuständigen Bausenators. Darüber hinaus hätte der Bund gefragt werden müssen, da dieser zu 40 Prozent an den Darlehen beteiligt ist. Auch das Abgeordnetenhaus hätte dem Handel zustimmen müssen, da es sich bei der Transaktion um „eine besondere Art der Kreditaufnahme“ handelte, die verfassungsrechtlich nicht zulässig sei.

Bessere Gründe könnte ein Parlament kaum haben, wenn es einem Regierungsmitglied das Vertrauen entziehen wollte. Doch wie es gestern aus der SPD-Fraktion hieß, werde man Pieroth weiter gewähren lassen. Wegen ein paar verschwendeten Milliönchen wolle man die Koalition „nicht platzen“ lassen. Die CDU stützt ihren Senator sowieso. Dirk Wildt